Archive detail

Neue Daten zur zunehmenden Sauerstoff-Verknappung in europäischen Gewässern

April 29, 2011 | Andri Bryner

Die Klimaerwärmung trägt dazu bei, dass sich der Sauerstoffmangel in europäischen Gewässern verstärkt. Um einen Überblick über die Prozesse in den europäischen Binnengewässern und Meeren zu erhalten, sammeln Wissenschafter und Wissenschafterinnen aus 20 europäischen Forschungsinstitutionen und elf Ländern seit zwei Jahren Daten im Rahmen des EU-Projektes «HYPOX». Vom 3. bis 6. Mai treffen sie sich nun in der Schweiz am Standort der Eawag Kastanienbaum, um sich über die Erkenntnisse der verschiedenen Messstandorte auszutauschen.

 Hypoxia bezeichnet die Verknappung des gelösten Sauerstoffs in einem Wasserkörper unter einen Schwellenwert, der den Lebensraum für Tiere unbewohnbar macht. Sauerstoffmangel entsteht, wenn der Verbrauch den Nachschub übersteigt. Diese simple Regel fasst ein komplexes Wechselspiel von Prozessen zusammen, die verschiedenste wissenschaftliche Disziplinen berühren: Die Physik der Wasserströmungen und des Wettergeschehens ebenso wie die Biologie der Organismen und Ihrer Stoffwechselleistungen und die Geologie und Geochemie der Gewässerböden. Sinkt der Sauerstoffgehalt auf ca. 20% der Normalsättigung, verschwinden die höheren Organismen wie Fische und Krebse. Dauert die Sauerstoffknappheit an, sterben schliesslich auch widerstandsfähigere Tiere, wie z.B. Muscheln. Zurück bleibt eine «Unterwasserwüste», die nur noch von besonderen Mikroorganismen besiedelt werden kann. Die Vorboten solcher dramatischen Entwicklungen werden leicht übersehen. Setzt ein offensichtliches Massensterben ein, ist der Niedergang des Ökosystems meist schon weit fortgeschritten. Selbst unter verbesserten Sauerstoffbedingungen kann es dann viele Jahre dauern, bis sich der ursprüngliche Zustand wieder eingestellt hat.

Messung als Basis für Zukunftsprognosen

Die Entstehung der Sauerstoff-Verknappung zu verstehen und zu überwachen sind die Hauptziele von HYPOX. In Schweizer Seen, Fjords und Lagunen in Schweden, Schottland, und Griechenland, Küstengewässern in Ostsee und Schwarzem Meer und im offenen Nordatlantik untersuchen die Forschenden ein gutes Dutzend verschiedener Ökosysteme. Sie installieren Sauerstoff-Messstationen und führen verschiedenste Untersuchungen und mathematische Modellierungen durch. Damit können sie sich ein genaues Bild der jetzigen Situation machen, erhalten einen Einblick in die Sauerstoffverfügbarkeit vergangener Zeiten, und können Prognosen für die Zukunft abgeben. Nach ersten Projekttreffen in Bremen und Istanbul treffen sich die Wissenschafterinnen und Wissenschafter diesmal in der Schweiz am Standort der Eawag Kastanienbaum/Kanton Luzern, um sich über Ihre Forschungsergebnisse auszutauschen und die Aufgaben für das dritte und letzte Jahr des Projektes festzulegen. Mit Spannung erwarten die Wissenschafter aktuelle Erkenntnisse der einzelnen Institute sowie der Eawag, welche dieses Jahr ihr 75 jähriges Bestehen feiert. Die Wissenschafter des Teams um Dr. Carsten Schubert der Eawag in Kastanienbaum haben Sauerstoff in bisher unerreichter Präzision gemessen, langjährige Sauerstoff-Messreihen aus Schweizer Seen einer detaillierten Analyse unterzogen und mit modernsten biochemischen und chemischen Methoden einen tiefen Blick in die Sauerstoff-Geschichte verschiedener Schweizer Seen und anderer Systeme in Griechenland und im Schwarzen Meer geworfen.