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Invasion unter Wasser: Ballenberg oder McDonalds?

23 novembre 2012 | Andri Bryner

Auf Einladung der Abteilung aquatische Ökologie nahmen 40 Expertinnen und Experten aus Kantonen, Bund, Ökobüros und der Forschung am 31.10. am ersten Workshop über aquatische invasive Arten teil. Allzu oft wird „nur“ über Goldruten oder Grauhörnchen diskutiert – was sich jedoch unter der Wasseroberfläche einschleicht oder dort eingeschleppt wird, geht vergessen.

Nach dem Einstiegsreferat von Lukas De Ventura über seine laufende Dissertation zu den Wander- und Quaggamuscheln folgten weitere attraktive Talks aus ganz verschiedenen Blickwinkeln. 

Kontroverse Wahrnehmung

Christoph Küffer (ETH) zeigte auf, wie kontrovers die Wahrnehmung der Gesellschaft aber auch der Forschung ist in Bezug auf die Neuzuzüger. Zwischen „viel Lärm um nichts“ und „Bedrohung für die ganze Menschheit“ schwankt der Tenor. Unabsichtlich prägte Küffer auch den Begriff „Naturschtutz“ – vielleicht ein Sinnbild für die hohen Kosten der Neobiotabekämpfung zugunsten eines möglicherweise überholten Naturschutz-Idealbildes? In der Gruppenarbeit übersetzte Bruno Baur (Uni Basel) denselben Spannungsbogen zwischen „alles erhalten wie es vor 150 Jahren war“ und einer Triviallandschaft mit dem Begriffspaar „Ballenbergisierung versus McDonaldisierung“.

Schadenspotentiale aufzeigen

Gian-Reto Walther vom Bafu erläuterte die Einbindung der Massnahmen gegen Neozoen in der Biodiversitätsstrategie und fasste die Rechtsgrundlagen zusammen. Walther rief dazu auf, die neuen Arten nicht erst in der Explosionsphase zu beobachten, sondern generell deren Populationsdynamik im Auge zu behalten. Zudem wünsche man sich einheitlichere Methoden, wenn es um die Bewertung des Schadenpotentials gehe. Jsabelle Buckelmüller (Awel, ZH) orientierte über die Verarbeitung von Neobiotadaten im GIS (mit einem eigenen Layer für aquatische Neozoen) sowie die Zusammenarbeit zwischen Kantonen und Bund. Sie wies auf mehrere bereits umgesetzte Massnahmen der Bekämpfung und Vorsorge hin, so zum Beispiel auf die Zürcher Regel, keinen Kies aus einem mit Neozoen belasteten Gewässer flussaufwärts oder in ein anderes Einzugsgebiet zu verfrachten. Joachim Hürlimann (Aquaplus) erzählte, wie er in der Bündner Julia die Alge Didymosphenia gefunden hat, die z.B. in Neuseeland ganze Teppiche bildet (Bild).

Hürlimann verhehlte nicht, dass die Neobiota seinem Büro zu attraktiven Aufträgen verhelfen. Um selbst nicht zur Verbreitung beizutragen, zeigte er, wie das Elektroabfisch-Equippement nach jedem Einsatz desinfiziert wird. Wenigstens eine gute Seite attestierte er den Dreikantmuscheln: Ihr massenhaftes Aufkommen erlaubt es, das Muschelfleisch dank Bioakkumulation als Indikator für Schadstoffe zu verwenden.

Handeln bevor die vierte Stelle hinter dem Komma klar ist

Florian Altermatt (Eawag) unterstrich mit Beispielen, dass die Wissenschaft nicht ganz so ahnungslos ist, wie manchmal dargestellt. Das bedeute, so Altermatt, dass man sehr wohl handeln könne. Die Frage sei nur, ob die Forderung nach Massnahmen rechtzeitig gehört werde, sprich, bevor eine gebietsfremde Art zum Problem wird. Hier knüpfte unter anderem Patricia Holm (Uni Basel) an: Massnahmen gegen die weitere Ausbreitung der Schwarzmeergrundeln (Bild oben) müssten und könnten JETZT ergriffen werden. Denn wenn die vermutlich über Balastwasser von Rheinschiffen eingeschleppten Laichräuber das Kraftwerk Rheinfelden einmal überwunden hätten, sei ihr weiterer Vorstoss Rhein- und Aare-aufwärts kaum mehr aufzuhalten.

Prioritäten setzen

Die Diskussion nach den Gruppenworkshops zeigte deutlich, dass der Informationsaustausch in diesem Rahmen sehr geschätzt wurde und wiederholt werden sollte. Zwar ist die Wunschliste lang – zum Beispiel nach einer zentralen Datenbank, einer umfassenden Webplattform oder einheitlichen Schulmaterialien. Doch andererseits sind schon viele gute Werkzeuge und viel guter Wille vorhanden, um im Bereich der aquatischen invasiven Arten gemeinsam voranzugehen. Boote und Wassersportmaterial desinfizieren und Sensibilisierung im Zoo- und Aquarienhandel sind bloss zwei Stichworte dazu. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich aber auch einig, dass der Umgang mit Neobiota Fragen aufwirft, die je nach Interessengruppe anders beantwortet werden. Zum Beispiel ob eine künstliche Schwelle im Zuge einer Revitalisierung entfernt werden muss oder ob gerade sie den Aufstieg des Signalkrebes in einen Oberlauf noch verhindern kann.