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Trichloramin statt Bakterien im Badewasser

25. Juni 2015 | Andres Jordi

Bei der Chlorung von Badewasser entsteht potenziell schädliches Trichloramin. Die Menge des Chlors im Wasser beeinflusst, wie viel des unerwünschten Stoffs sich bildet. Doch die Chlorkonzentration lässt sich nur beschränkt reduzieren, ohne dass sich hygienische Probleme ergeben. Auch eine UV-Bestrahlung nützt wenig.

Die Badesaison steht vor der Tür. Damit Schwimmerinnen und Schwimmer den Badespass ungetrübt geniessen können, müssen öffentliche Bäder hohe hygienische Standards erfüllen. Denn mit den Badenden gelangen Haare, Hautpartikel, Schweiss, Urin, aber auch Bakterien und Viren ins Wasser. Öffentliche Schwimmbäder filtern und desinfizieren das Badewasser deshalb kontinuierlich. Die Desinfektion geschieht üblicherweise mit Chlor, genauer mit hypochloriger Säure oder Kalziumhypochlorit. Das hat seine Kehrseite. «Bei der Chlorbehandlung entstehen mehrere 100 chemische Nebenprodukte», sagt Fabian Soltermann von der Abteilung Wasserressourcen und Trinkwasser der Eawag. Bei vielen weiss man nicht, wie sie sich auf den Menschen auswirken. Einige sind gesundheitsschädigend und gelten gar als krebserregend.

In Hallenbädern können erhöhte Werte auftreten

Eines dieser problematischen Nebenprodukte ist Trichloramin. Es reizt Augen und Haut, kann die Atemwege entzünden und steht im Verdacht, Asthma zu verursachen. Badpersonal, Schwimmlehrer und Kleinkinder sind besonders exponiert. Trichloramin entsteht, wenn das Chlor im Badewasser mit stickstoffhaltigen Substanzen wie zum Beispiel Harnstoff in Kontakt kommt. Ein Teil gast aus und kann sich in geschlossenen Räumen anreichern. «Trichloramin ist vor allem in Hallenbädern ein Thema», sagt Soltermann. «In Freibädern ist die Frischluftzufuhr ausreichend, zudem zersetzt das Sonnenlicht die Verbindung.» Ein gesetzlicher Grenzwert existiert in der Schweiz bislang nicht. In der Praxis hat sich aber die Norm 385/9 des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) durchgesetzt. Der SIA empfiehlt eine Obergrenze für die Luft von 0,2 Milligramm Trichloramin pro Kubikmeter. Eine 2012 publizierte Studie zeigt, dass von 30 untersuchten Schweizer Hallenbädern 5 diesen Wert überschritten.

Um die Trichloramin-Belastung minimieren zu können, muss man verstehen, wie die Verbindung im Wasser entsteht. Dem ist Fabian Soltermann in seiner Dissertation nachgegangen. Er entwickelte eine einfache und kostengünstige Methode, um Trichloramin im Badewasser zu messen. Mithilfe dieser Messmethode konnte er Faktoren bestimmen, welche die Bildung und den Abbau von Trichloramin beeinflussen. Der Umweltchemiker untersuchte insgesamt 30 verschiedene Schwimmbecken in mehreren Schweizer Hallenbädern. In einem Bad nahm er Langzeitmessungen in verschiedenen Becken vor [Abb. 2].

Weniger Trichloramin auf Kosten der Hygiene

Die Trichloramin-Konzentrationen bewegten sich zwischen 2 und 58 Mikrogramm pro Liter.
Die Analysen zeigten, dass die Bildung von Trichloramin vor allem vom Anteil an freiem Chlor im Wasser abhängt [Abb. 3]. Als freies Chlor bezeichnet man gelöstes Chlorgas oder gelöste Hypochlorit-Verbindungen. Bei Substanzen, die wie Trichloramin neben Chlor noch Stickstoff beinhalten, spricht man von gebundenem Chlor. Auch die Menge der Badegäste in einem Pool beeinflusst die Trichloramin-Bildung bis zu einem gewissen Grad. So stiegen die Konzentrationen in den genauer untersuchten Schwimmbecken mit der Anzahl der Badenden an. Der naheliegende Schluss, dass dies auf die ebenfalls erhöhte Harnstoffmenge im Wasser zurückzuführen ist, trifft allerdings nicht zu. «Ich konnte keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Trichloramin-Konzentration und der Menge an Harnstoff im Wasser feststellen», so Soltermann. «Wahrscheinlich spielen andere stickstoffhaltige Substanzen eine wichtigere Rolle – welche, ist noch unklar.»

Eine effektive Massnahme zur Verminderung der Trichloramin-Konzentration wäre laut Soltermann, dem Badewasser weniger Chlor beizufügen. Verglichen mit anderen Ländern, zum Beispiel Frankreich, Deutschland oder den USA, weisen Schweizer Schwimmbäder jedoch bereits relativ tiefe Chlorkonzentrationen auf. Die Schwimmbadbetreiber orientieren sich hier wiederum an der SIA-Norm 385/9, die für einen hygienisch sicheren Betrieb einen Richtwert von 0,2 bis 0,8 Milligramm freies Chlor pro Liter empfiehlt. «Damit stehen die Schwimmbadbetreiber vor einem Dilemma», sagt der Wissenschaftler. «Bei geringeren Chlorzugaben laufen sie Gefahr, die hygienischen Anforderungen nicht mehr zu erfüllen; mit dem heutigen Regime nehmen sie höhere Trichloramin-Konzentrationen in Kauf.»

 

UV-Behandlung bringt wenig

Um unerwünschte Desinfektionsnebenprodukte zu reduzieren, bestrahlen gewisse Schwimmbäder das Badewasser zusätzlich mit UV-Licht. Soltermann konnte mithilfe von Laborversuchen bestätigen, dass sich die Trichloramin-Konzentration mit einer üblichen UV-Dosierung auf die Hälfte senken lässt. Die Realität im Schwimmbad sieht aber anders aus. Zwar mass der Forscher auch im UV-Reaktor eines Hallenbads einen Trichloramin-Abbau von rund 50 Prozent. Nachdem das Wasser in die Pools zurückgepumpt wurde, schwächte sich der Effekt aber deutlich ab: Im Planschbecken betrug die Reduktion noch 20 Prozent, im Schwimmerbecken sogar nur 10 Prozent [Abb. 4]. «Das hängt mit der Aufenthaltsdauer des Wassers im Pool zusammen», erklärt der Umweltchemiker. «Je länger das Wasser im Becken bleibt, desto mehr Trichloramin kann sich wieder bilden.» Im Planschbecken wird das Wasser jeweils nach einer Stunde umgewälzt ausgetauscht, im Schwimmerbecken nach vier bis fünf Stunden.

Die Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine UV-Behandlung allenfalls die Konzentration des gesamten gebundenen Chlors vermindern kann. Auch hier gibt die SIA einen Grenzwert vor (0,2 Milligramm pro Liter). «Einige Hallenbäder haben Mühe, diesen Wert einzuhalten», sagt Soltermann. Relevant für die Gesundheit ist beim gebundenen Chlor aber sowieso nur das Trichloramin. Die Bestrahlung mit UV-Licht kann je nach Bedingungen im Badewasser überdies die Bildung anderer problematischer Nebenprodukte wie zum Beispiel Nitrosamine fördern.