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Schweizer Städte nehmen beim Kokainkonsum im europäischen Vergleich einen Spitzenplatz ein

6. August 2012 | Andri Bryner

Rund 360 Kilogramm Kokain werden in Europa täglich konsumiert. Das berichtet ein internationales Wissenschafter-Team mit Beteiligung des Wasserforschungsinstituts Eawag in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift «Science of the Total Environment». Die Forschenden untersuchten das Abwasser von rund 15 Millionen Personen in 19 europäischen Städten auf verschiedene Drogen. Vergleichbare Analysen in der Schweiz deuten auf einen im europäischen Vergleich erhöhten Kokainkonsum hierzulande hin.

Kokain gilt als Lifestyle-Droge und ist in der Partyszene sowie als Aufputschmittel zur Leistungssteigerung beliebt. Um konsumierte Kokainmengen zu erheben, hat ein internationales Team von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern mit Beteiligung der Eawag in 19 europäischen Grossstädten Kokain und andere Drogen nach einem vereinheitlichten Vorgehen mittels Abwasseranalysen direkt nachgewiesen. Während einer Woche massen die Forschenden die Konzentrationen der einzelnen Substanzen und schätzten daraus den effektiven Verbrauch. Christoph Ort von der Abteilung Siedlungswasserwirtschaft der Eawag und sein Team trugen massgeblich zum Studiendesign und zur Qualitätssicherung bei, damit unterschiedliche Abwassersysteme verschiedenster Städte objektiv miteinander verglichen werden konnten.

Unter den untersuchten Städten stehen Antwerpen und Amsterdam beim Kokainkonsum an der Spitze. Pro Tag und 1000 Einwohner werden dort durchschnittlich mehr als 1,5 Gramm Kokain konsumiert. Im Mittelfeld liegen mit 0,5 bis 1 Gramm unter anderem Barcelona, London, Mailand und Paris. In den skandinavischen Städten wie Stockholm, Oslo oder Helsinki ist der Verbrauch dagegen sehr gering und liegt unter 0,15 Gramm pro Tag und 1000 Einwohner. Eine Hochrechnung dieser Werte ergibt, dass in ganz Europa pro Tag total rund 360 Kilogramm Kokain konsumiert werden. Das entspricht etwa 10 bis 15 Prozent der vom Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung geschätzten globalen Kokainproduktion.

Hoher Konsum in Schweizer Städten

Bereits letztes Jahr veröffentlichten die Eawag und die Universität Bern eine Studie in der Fachzeitschrift Water Research über Kokain im Abwasser der Städte Bern, Genf, Luzern und Zürich. «Die Kokainmengen im Abwasser lagen dort im gleichen Bereich wie bei jenen europäischen Städten mit dem höchsten Konsum», sagt Christoph Ort. Dabei war die Belastung an Wochenenden und während bestimmter Anlässe wie der Zürcher Street Parade oder Musikfestivals zwei- bis viermal so hoch wie an gewöhnlichen Wochentagen. Diese Resultate beruhen auf Messungen an einzelnen Tagen in 2009 und nicht wie bei den europäischen Städten auf Daten, die gleichzeitig über eine Woche ermittelt wurden.
Deshalb beteiligten sich die Schweizer Forschenden in diesem Jahr an der nächsten internationalen Messkampagne, bei der neben Basel, Bern, Genf, St. Gallen und Zürich viele weitere europäische und amerikanische Städte untersucht wurden. Die Eawag interessiert dabei besonders die Datenqualität sowie das Vorkommen und Verhalten von Spurenstoffen wie beispielsweise Arzneimittel und Haushaltchemikalien im Abwasser. Daraus lassen sich neue Erkenntnisse gewinnen, um Mikroverunreinigungen in den Gewässern zu verringern.