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Janet Hering vom Bundesrat wiedergewählt

20. August 2014 | Andri Bryner

Der Bundesrat hat auf Antrag des ETH-Rats die Direktorin der Eawag, Janet Hering, für weitere vier Jahre wiedergewählt. Die dritte Amtszeit beginnt am 1. Januar 2015.

Interview mit Prof. Janet Hering zum Thema « Die Schweiz als führendes Beispiel für nachhaltiges Wassermanagement »

Das Schweizer Trinkwasser ist sicher und von bester Qualität. Das ist das Resultat eines erfolgreichen Gewässerschutzes. Das Land habe die nötigen Voraussetzungen, das Wassermanagement in eine nachhaltige Zukunft zu führen, sagt Eawag-Direktorin Janet Hering. Dabei gelte es, zwischen verschiedenen Nutzungsansprüchen abzuwägen und die richtigen Prioritäten zu setzen.
Interview: Andres Jordi

Unzählige Spurenstoffe in den Flüssen und Bächen, Veränderungen des Klimas, extreme Hochwasser, Revitalisierungen: Die Qualität des Schweizer Trinkwassers, das aus flussgespeistem Grundwasser stammt, scheint von vielen Seiten her beeinträchtigt zu sein. Darauf deuten verschiedene Beiträge am diesjährigen Infotag. Trotzdem plädierst du für Augenmass. Was stimmt dich optimistisch?

Optimisten sehen das Glas halb voll, für Pessimisten ist es dagegen halb leer. Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, relevante Fragen über das Glas und seinen Inhalt zu stellen. In unserem Fall ist das die Wasserversorgung durch Uferfiltration. Hier gilt es zu verstehen, welche biogeochemischen Prozesse ablaufen, welche Faktoren heute und in Zukunft auf das System einwirken und wie sie dieses beeinflussen. Ein solches Verständnis sagt noch nicht unbedingt viel darüber aus, wie dringend gewisse Unzulänglichkeiten zu beheben sind. Quellen und Grundwasser liefern in der Schweiz in der Regel Trinkwasser bester Qualität, das nicht weiter aufbereitet werden muss. Diesbezüglich steht die hiesige Wasserversorgung im Vergleich mit vielen anderen Industrieländern hervorragend da...

...und kann die Hände in den Schoss legen?
Nein, natürlich nicht. Obwohl sich die Situation hierzulande sehr gut darstellt, gibt es Bereiche, in denen es Handlungsbedarf gibt. Das zeigen verschiedene am Infotag vorgestellte Forschungsarbeiten der Eawag. Doch ich finde, wir sollten deswegen nicht vergessen, wo die Schweizer Wasserversorgung in Bezug auf Qualität, Sicherheit und Verfügbarkeit steht: weltweit an der Spitze. Die Schweiz hat in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass sie den Gewässerschutz ernst nimmt. Denken wir nur an den Kampf gegen die Überdüngung der Seen, zum Beispiel des Zürichsees. Mit dem kürzlich begonnenen Ausbau von Kläranlagen zur Reduktion von Mikroverunreinigungen im Abwasser setzt das Land einen weiteren Meilenstein im Gewässerschutz. Umso wichtiger scheint mir, dass das die Schweiz solche Erfolge nicht leichtfertig preisgibt. So sollte der Bund der Forderung, wieder mehr Phosphor in die Seen zu leiten, um die Fischerträge zu steigern, aus Sicht der Wasserforschung nicht nachgeben.

Wo liegen die Herausforderungen für die Wasserversorgung in der Schweiz?
Auch wenn die Schweiz als Wasserschloss Europas im wahrsten Sinn des Wortes an der Quelle sitzt, ist das reichlich vorhandene Wasser selbst hierzulande nicht unerschöpflich. Es sollte deshalb oberstes Gebot sein, die Ressource möglichst nachhaltig zu bewirtschaften. Neben den natürlichen Voraussetzungen, wie zum Beispiel der Verfügbarkeit von Wasser (Niederschlagsmenge, Speicherkapazität und geografische Verbreitung), entscheiden technische und gesellschaftliche Faktoren über ein nachhaltiges Wassermanagement. Nicht selten bestehen verschiedene, sich teilweise konkurrierende Nutzungsansprüche. Solche können zum Beispiel auftreten, wenn ein Flussabschnitt revitalisiert werden soll, der im Bereich einer Trinkwasserfassung liegt. In solchen Fällen sind Win-win-Situationen nicht immer möglich. Es gilt, im Sinn der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit die richtigen Prioritäten zu setzen. Verantwortungsträger benötigen dazu wissenschaftlich fundierte Entscheidungsgrundlagen.

Auf welche Stärken kann die Schweiz zählen, um ihr Wassermanagement nachhaltiger zu gestalten?
Die Schweiz befindet sich in einer vergleichsweise komfortablen Lage. Das Land weist eines der höchsten Bruttoinlandprodukte pro Kopf auf, rangiert beim Index für menschliche Entwicklung der Uno auf einem Spitzenplatz, verfügt über grosse Wasserressourcen und hat einen passablen ökologischen Leistungsausweis. Die Industrie ist sehr leistungsfähig und innovativ. Als wichtiger Pluspunkt erscheint mir ausserdem die auf Konkordanz ausgerichtete politische Kultur. Damit besitzt die Schweiz die technischen, finanziellen und gesellschaftlichen Voraussetzungen, um ein nachhaltiges Wassermanagement in die Tat umzusetzen.

Die Schweiz, ein Vorbild in Sachen Nachhaltigkeit?
Andere Industrieländer können sich an der Schweiz mit ihren Bemühungen hin zu mehr Nachhaltigkeit durchaus ein Beispiel nehmen. Setzt man den Index für menschliche Entwicklung und den ökologischen Fussabdruck ins Verhältnis, steht die Schweiz gegenüber vergleichbaren Ländern um einiges besser da (siehe Grafik). Mit anderen Worten: Auch bei einem sehr hohen Wohlfahrtsniveau lässt sich haushälterisch mit den natürlichen Ressourcen umgehen. Wobei auch die Schweiz das Ziel, den Bereich nachhaltiger Entwicklung, noch nicht erreicht hat. Die hohe Innovationskraft des Landes könnte für andere Staaten zudem ein Ansporn sein, umwelt- und ressourcenschonende Technologien zu entwickeln und anzuwenden. Umgekehrt bietet sich der Schweiz die Möglichkeit, entsprechende Technologien und Knowhow zu exportieren.

Beschränkt sich das auf die Industrieländer?
Entwicklungs- und Schwellenländer können ebenso von einem Technologie- und Wissenstransfer profitieren. Gleichzeitig gilt es, in diesen Ländern die Handlungsmöglichkeiten der Gesellschaften aufzubauen und zu stärken, damit diese die nachhaltige Entwicklung eigenständig gestalten können (Capacity development). Auch hier hat die Schweiz Einiges zu bieten.

Wie trägt die Wissenschaft zu einem nachhaltigen Wassermanagement bei?
Bereits erwähnt habe ich das Erforschen der Prozesse und Systeme. Diese zu verstehen, ist wesentlich für eine zielführende Bewirtschaftungsstrategie. Daneben entwickeln Ingenieure neue technische Verfahren, die in den Praxisbetrieb einfliessen. Sozialwissenschaftliche Methoden helfen, Entscheidungsfindungsprozesse transparent zu machen und Handlungsoptionen zu bewerten, um für die betroffenen Akteure tragfähige Lösungen zu finden.

Der Index für menschliche Entwicklung (engl. Human development index, HDI) der Uno verglichen mit dem ökologischen Fussabdruck für verschiedene Länder. Der HDI beschreibt den Wohlfahrtszustand verschiedener Weltregionen. Der ökologische Fussabdruck gibt die Land- und Wasserfläche an, die ein Land pro Einwohner benötigt, um den Lebensstandard unter den gegenwärtigen Bedingungen zu gewährleisten. Die Biokapazität ist umgekehrt ein Mass für die Leistungsfähigkeit eines Ökosystems, die für den Menschen essenziellen Leistungen zu produzieren.
(Quelle: Global Footprint Network)