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Biologische Ansätze zur Bekämpfung von Legionellen

9 agosto 2022 | Ori Schipper

Schweizweit nehmen Infektionen mit Bakterien der Gattung Legionella deutlich zu. Nun haben Forschende der Eawag eine Art Auslegeordnung erstellt, wie sich das Wachstum dieser mikrobiellen Bewohner von Trinkwassersystemen mithilfe anderer Lebewesen eindämmen liesse.

Legionellen sind Bakterien, die im Wasser leben und in sehr vielen Wasserleitungen, Duschköpfen, lüftungstechnischen Anlagen, Boilern und Kühltürmen zu finden sind. Sie können zuweilen auch Menschen anstecken, wenn sie – etwa beim Duschen – mit feinen Wassertröpfchen in die Atemwege gelangen und eine Legionellose auslösen. Alarmismus ist jedoch fehl am Platz, denn Legionellosen verlaufen in den meisten Fällen glimpflich. Das sogenannte Pontiak-Fieber gleicht einer Grippe.

Doch vor allem bei immungeschwächten Personen können die Bakterien auch eine Art Lungenentzündung verursachen – die sogenannte Legionärskrankheit –, die mitunter tödlich endet. Legionellosen sind immer noch selten, auch wenn sich die Zahl der Fälle in den letzten zehn Jahren auf schweizweit etwa 600 jährliche Infektionen verdoppelt hat. «Dieser Anstieg gibt Anlass zur Sorge», sagt Alessio Cavallaro, Doktorand in der Gruppe Trinkwassermikrobiologie, die von Frederik Hammes geleitet wird.

Zugabe von harmlosen Mikroorganismen

Soeben hat Cavallaro mit Kolleginnen und Kollegen einen Übersichtsartikel veröffentlicht zur so genannten probiotischen Kontrolle von Legionellen. «Wir definieren ‹probiotisch› als die gezielte Zugabe von harmlosen Mikroorganismen, um die mikrobielle Zusammensetzung des Systems zu verändern – und das Wachstum von Krankheitserregern zu hemmen», schreiben die Forschenden in ihrem Fachbeitrag. Moment, Mikroben im Trinkwasser, das von den Behörden regelmässig auf die «bakteriologische Unbedenklichkeit» geprüft wird?

Cavallaro lacht. «Als Mikrobiologen wissen wir: Sterile Umgebungen gibt es nicht», sagt er. «Im Trinkwasser lebt eine Gemeinschaft von Organismen, die ziemlich artenreich ist.» Diese lebendige Vielfalt besiedelt die Leitungsrohre – und bildet so genannte Biofilme an deren Wänden. Dabei sind die ökologischen Wechselwirkungen zwischen den Kleinstlebewesen fast so vielfältig wie die Artenzusammensetzung im Biofilm. Genau hier, in diesem glitschigen Reich, sind die Legionellen daheim. «Diese Mikrobe ist keine Verunreinigung von ausserhalb des Systems, sondern Teil des natürlichen Mikrobioms in den Wasserleitungen», sagt Hammes.

Der Lebenszyklus von Legionellen lässt sich in zwei Phasen unterteilen. Im Verbund mit anderen Bakterien beteiligen sich die Legionellen am Aufbau des Biofilms, wo sie hauptsächlich die Zeit überdauern, bis sie von einer Amöbe oder einem anderen Einzeller aufgenommen werden. Dank eines Tricks (dessen molekulare Details inzwischen bekannt sind) enden einige Legionellen nicht als Futter, sondern richten sich in einem eigenen Abteil der Wirtszelle ein, wo schliesslich die zweite Phase ihres Lebenszyklus beginnt.

Im Inneren ihrer Wirtszelle sind die Legionellen nicht nur vor Hitze und chemischen Giften geschützt. Sie finden auch alle organischen Substanzen vor, die sie zu ihrer Vermehrung brauchen. «Diesbezüglich sind Legionellen ziemlich wählerisch. Sie sind zum Beispiel auf viele Aminosäuren angewiesen, die sie nicht selbst herstellen können», sagt Cavallaro. Die Vermehrungsphase endet, wenn die Wirtszelle platzt – und die vielen neuen Legionellen wieder im Biofilm eine Nische finden müssen.

Interaktionen im mikrobiologischen Wimmelbild nutzen

In ihrem Beitrag berichten die Forschenden, wie sich dieser Lebenszyklus unterbrechen liesse: Wenn die Einzeller zum Beispiel schon mit anderen Bakterien infiziert sind, haben es die Legionellen schwerer, sich im Zellinneren zu vermehren, weil sie die wertvollen Ressourcen der Wirtszelle mit den anderen Eindringlingen teilen müssen. Auch weitere Ansätze finden im Übersichtsartikel Erwähnung. In Frankreich testet ein Unternehmen etwa spezielle Amöben, die offenbar nicht auf den Trick der Legionellen hereinfallen – und sie tatsächlich aufessen, statt sie sich in ihnen vermehren zu lassen. Allerdings: «Unabhängige wissenschaftliche Beweise für die Wirksamkeit dieses Ansatzes sind nach wie vor begrenzt», gibt Cavallaro zu bedenken.