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Der Freund meines Feindes ist auch mein Feind

28 maggio 2018 | Andri Bryner

Symbiotisch lebende Mikroorganismen können die biologische Schädlingsbekämpfung unterwandern, indem sie ihren Wirt vor Angreifern schützen. Wirtsorganismen können diese für sie nützlichen Passagiere sogar an ihre Nachkommen vererben. Das Ganze ist ein Phänomen, das bisher kaum berücksichtigt wurde, dem aber dank neuer Forschungsresultate entgegengewirkt werden kann.

Das Wettrüsten zwischen Wirten und Parasiten ist ein beliebtes Feld in der Evolutionsforschung. Auch Christoph Vorburger arbeitet auf diesem Gebiet, an der Eawag in der Abteilung für aquatische Ökologie und an der ETH Zürich am Institut für integrative Biologie. Mit seinem Kollegen Steve Perlman von der kanadischen Universität Victoria hat er jetzt die Grenzen vieler bisheriger Untersuchungen aufgezeigt: «Oft sind die Studien oder Versuche im wahrsten Sinne nur zweidimensional. Denn ob eine Wirtspflanze oder ein Wirtstier einen Schädling effizient abwehren kann, hängt nicht nur vom Immunsystem des befallenen Organismus ab, sondern auch von Dritten und Vierten. Immer mehr Organismen werden entdeckt, die als nützliche Symbionten den Wirten helfen, deren Feinde unter Kontrolle zu halten oder die wiederum die Parasiten unterstützen, die trickreiche Abwehr zu umgehen», sagt Vorburger.

Blattläuse vergiften ihre Feinde

Ein Beispiel ist das Wechselspiel zwischen winzigen Wespen und Blattläusen. Die Wespen werden als Feinde von Blattläusen gezüchtet und in Gewächshäusern ausgesetzt, um Nutzpflanzen vor Blattlausbefall zu schützen. Blattläuse saugen Pflanzensaft. Sie gehören zu den wichtigsten landwirtschaftlichen Schädlingen weltweit. Sie schädigen Pflanzen direkt und verbreiten Pflanzenkrankheiten, was zu Ertragseinbussen und enormen wirtschaftlichen Schäden führt. Die biologische Kontrolle mit den Wespen geht eine Weile lang gut: Die Wespenweibchen greifen Blattläuse an, indem sie ihnen ein Ei injizieren. Dieses entwickelt sich zu einer Larve, welche die lebende Blattlaus gleichsam von innen verschlingt. Die Larve verpuppt sich im toten Wirtstier, und innert weniger Tage schlüpft eine neue Wespe aus der «Mumie» – bereit um weitere Blattläuse anzugreifen.

Doch einige Blattläuse haben Verbündete, mit denen sie sich wehren. Sie tragen symbiotische Bakterien in sich, die sie gegen die parasitären Wespen resistent machen, weil sie Toxine produzieren, welche die Eier oder Larven des Parasiten töten. Diese Bakterien werden von Blattlausmüttern sogar an ihre Nachkommen weitergegeben, sind also quasi vererbbar. Dadurch werden Blattlauspopulationen so resistent, dass sie der Kontrolle durch Parasiten entgehen – nicht das, was sich der Landwirt im Gewächshäusern wünscht.

Effiziente Strategien der Schädlingsbekämpfung dank Forschung

Dieser Effekt ähnelt auf den ersten Blick der Entwicklung von Resistenzen gegen Insektizide. Im Gegensatz zu Insektiziden können sich Parasitoide aber weiterentwickeln. Laboruntersuchungen haben gezeigt, dass Parasitenpopulationen zur Gegenanpassung fähig sind. Sie können so ausgewählt werden, dass sie den Widerstand der Blattlaus-Symbionten besser überwinden können. Die biologische Schädlingsbekämpfung kann also verbessert werden, wenn die in den Kulturen freigesetzten Parasiten eine ausreichende genetische Variation für eine schnelle Anpassung aufweisen. Zudem können Parasiten selektiv gezüchtet werden, sodass sie bereits an die schützenden Symbionten angepasst sind. Und schliesslich könnte eine clever getimte Kombination aus Parasiten und Fressfeinden die Schädlingsbekämpfung stärken: Parasiten verhindern frühzeitig den Aufbau hoher Blattlausdichten, später eliminieren ausgesetzte Fressfeinde resistente Blattläuse, die sich der Kontrolle durch Parasiten entzogen haben.

Für Vorburger ist klar: « Abwehrstrategien mit Hilfe von Symbionten haben einen grossen Einfluss auf die Koevolution von Wirten und Parasiten. Man hat diesen Effekt bisher zu wenig berücksichtigt, obschon er Auswirkungen bis zur Übertragung von Krankheitserregern auf den Menschen haben könnte.»