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Seen zwischen Nutzungsansprüchen und Schutzbemühungen

16 settembre 2016 | Andres Jordi

Die Schweizer Seen sind vielfältige Ökosysteme, Erholungsräume, Fischgründe und Energiequellen in einem. Die Eawag widmete ihren diesjährigen Infotag diesem Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen. Ein nachhaltiges Seenmanagement bedinge, dass man die komplexen Wirkungszusammenhänge im See verstehe, so das Fazit. Und dazu brauche es Daten und die richtigen Methoden. Von Andres Jordi

Die Schweizer Seen unterlägen heutzutage unterschiedlichsten Nutzungs- und Schutzansprüchen. Ein wissenschaftlich fundiertes Seenmanagement habe sich an dieser Vielfalt von Bedürfnissen zu orientieren und solle keine einzelnen Interessen oder Akteure bevorzugen. Oberstes Ziel müsse es aber sein, die Seen als ökologisch funktionsfähige, möglichst naturnahe Lebensräume zu erhalten oder instand zu stellen. Dafür plädierte Eawag-Forscher Bernhard Wehrli am diesjährigen Infotag des Wasserforschungsinstituts im Verkehrshaus in Luzern. Die Veranstaltung fand anlässlich des 100-Jahre-Jubiläums des Seeforschungslabors Kastanienbaum am Vierwaldstättersee statt. Gegen 250 Fachleute aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Politik diskutierten über neue Erkenntnisse und Trends der Seenforschung und deren Bedeutung für die Praxis (Abb. 1).

Ohne Daten keine Entscheidungen

Die von Wehrli angesprochene Vielfalt der Ansprüche widerspiegelte sich in der thematischen Breite der Vorträge. Diese beleuchteten das Ökosystem See unter anderem aus der Perspektive des Biodiversitätsschutzes, der Energiegewinnung, der fischereilichen Nutzung oder der Wasserqualität. Die Referate machten deutlich, wie wichtig eine systematische Datenerfassung ist. Daten zum physikalischen, chemischen und biologischen Zustand eines Sees und darüber, wie sich dieser durch äussere Einflüsse allenfalls verändert, sind für ein nachhaltiges Gewässermanagement essenziell. Ohne Daten lassen sich keine wissenschaftlich abgestützten Entscheide treffen.

Wie der Evolutionsbiologe Ole Seehausen ausführte, fehlten bis vor kurzem solche quantitativen und standardisiert erhobenen Daten zu den Fischgesellschaften in den grossen und tiefen Alpenrandseen wie dem Thunersee oder dem Walensee. «Um die Artenvielfalt und die Lebensräume zu erhalten oder gezielt aufzuwerten, braucht es eine Bestandesaufnahme der Arten», sagte Seehausen. Die Eawag startete deshalb mit dem Bundesamt für Umwelt und der Universität Bern 2010 das Projet Lac, um solche Daten für möglichst viele Seen zu erheben. Sie sollten die Vielfalt der Fische, die Situation der endemischen und bedrohten Arten und wichtige Trends für die Fischerei erfassen.

Das Projet Lac zeigt, dass der Mensch die Alpenrandseen massiv beeinflusst hat. Veränderte Nährstoffgehalte, eine veränderte Sauerstoffversorgung, der Verlust endemischer Arten und die Einwanderung exotischer Arten prägen diese Ökosysteme derzeit. Die Forschenden konnten über 70 Fischarten nachweisen (Abb. 2): Felchen überwiegen bis in die grössten Tiefen, aber nur in den saubersten Seen. Barsche und Karpfen dominieren die heute oder in Vergangenheit nährstoffreicheren Seen. Die meisten Seen, die einmal mit Nährstoffen angereichert wurden, haben ihre Tiefwasserarten verloren. So gibt es zum Beispiel im 197 Meter tiefen Zugersee unterhalb von 30 Metern kaum noch Fische. Gleichzeitig scheinen diese Seen besonders zahlreich von exotischen Flach- und Warmwasserarten besiedelt zu werden. «Damit kommt es in den Schweizer Seen zu einer Homogenisierung der Biodiversität und der Ökosysteme» so Seehausen. Das Projet Lac brachte aber auch gute Nachrichten: Die Biologen entdeckten mehrere Exemplare des ausgestorben geglaubten Tiefwassersaiblings des Bodensees (Salvelinus profundus).