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Den Tieren im Wasser auf der Spur

27. November 2025 | Bärbel Zierl

Eine neue Kombination von Daten und statistischen Algorithmen erlaubt es erstmals, die Bewegungen von Tieren am Meeresgrund präzise nachzuverfolgen. Eine erste Studie mit Glattrochen am Meeresgrund rund um Schottland soll helfen, gezielte Massnahmen zum Erhalt der vom Aussterben bedrohten Tiere zu entwickeln und geeignete Schutzgebiete auszuweisen. Die Ergebnisse wurden jetzt in Science Advances publiziert.

Glattrochen (Dipturus intermedius), die weltweit grösste Rochenart mit über zwei Metern Länge, leben versteckt am zerklüfteten Meeresboden rund um Schottland. Ihr Leben in der Dunkelheit, tief unten im Wasser macht es ausgesprochen schwierig, mehr über ihre Aufenthaltsorte und Wege herauszufinden. Das Interesse an den Tieren ist jedoch sehr gross. Als Raubfische an der Spitze der maritimen Nahrungsnetze spielen sie eine sehr wichtige Rolle in den Meereslebensräumen und im Gleichgewicht maritimer Ökosysteme.

Aufgrund von Überfischung gehören Rochen und ihre nahen Verwandten, die Haie, jedoch zu den am stärksten gefährdeten Wirbeltieren auf unserem Planeten. Umso wichtiger ist es, die verbleibenden Populationen zu schützen und ihre Erholung zu unterstützen. Hierfür ist es unerlässlich zu wissen, wo sie leben. Die Methoden, die aktuell zur Verfolgung von Tierbewegungen eingesetzt werden, stossen jedoch unter Wasser schnell an ihre Grenzen.

Licht ins Dunkel des Meeresgrunds

Nun ist es einem interdisziplinären Team von Forschenden gelungen, mit einer neuen Kombination von Daten und statistischen Methoden mehr Licht ins Leben von Tieren in der dunklen Tiefsee zu bringen. Die Ergebnisse wurden soeben in der Zeitschrift Science Advances publiziert. In seiner Studie hat das Forschungsteam den neuen Ansatz auf die Glattrochen im Meeresschutzgebiet «Loch Sunart to the Sound of Jura» an der Westküste Schottlands angewendet. Sie konnten die Bewegungen der Tiefseetiere mit einmaliger Genauigkeit nachverfolgen und Karten ihrer Aufenthaltsorte und Wege entlang des Meeresgrunds zeichnen.

Die Kartierung zeigt, dass sich die Rochen häufig im Schutzgebiet aufhalten. Die Tiere dort dürften somit von regionalen Fischereibeschränkungen profitieren. Die Forschenden konnten aber auch weitere Hotspots ausserhalb des Schutzgebietes lokalisieren, welche die Rochen nutzen. Dort wären zusätzliche Schutzmassnahmen von Vorteil.
 

Wichtige Grundlage für das Ausscheiden von Meeresschutzgebieten

Der Hauptautor der Studie, Edward Lavender, bis vor kurzem Forscher am Wasserforschungsinstitut Eawag, mittlerweile Mitglied des Centre for Conservation and Restoration Science (CCRS) der Edinburgh Napier University, sagt: «Die verfeinerten Karten, die wir mit dem Ansatz liefern können, sind eine wichtige Grundlage für den Naturschutz. Sie helfen, Meeresschutzgebiete für Rochen und andere Tiere gezielt und auf Daten gestützt zu gestalten und Schutzmassnahmen zu ergreifen». Aktuell arbeiten die Forschenden daran, ihren Algorithmus weiter zu verfeinern, um besonders sensible Lebensräume wie etwa Laichgebiete zu identifizieren.

Forschende anderer Institutionen, darunter das European Ocean Tracking Network und das internationale Ocean Tracking Network, haben grosses Interesse an dem neuen Ansatz bekundet, der das Potenzial hat, die Arbeit im Bereich der Tierortung und des Meeresschutzes weltweit zu unterstützen.
 

Wie funktioniert der neue Ansatz?

Um das Leben von Tieren im Wasser, einschliesslich Rochen, zu erforschen, werden die Tiere mit Akustik- und Drucksensoren ausgestattet. Der neue Ansatz kombiniert nun die Daten dieser Sensoren mit der Topografie des Meeresgrunds und nutzt komplexe statistische Methoden wie die Bayesschen Inferenztechniken, um die Aufenthaltsorte der Tiere zu errechnen. Der Ansatz betrachtet die Tiere dabei als „Partikel”, die herumschwimmen, sich vermehren und wieder verschwinden. Die Verteilung der Partikel liefert erstaunlich präzise Karten der Standorte der Tiere.

Titelbild: Glattrochen, eine vom Aussterben bedrohte Art, durchstreifen die zerklüfteten Meeresböden rund um Schottland. Ein neuer Ansatz erlaubt es, ihre Bewegungen präzise nachzuvollziehen und dadurch gezielt Massnahmen zu ihrem Schutz zu ergreifen. (Foto: Simon Bradley)

Originalpublikation

Edward Lavender, Andreas Scheidegger, Carlo Albert, Stanisław W. Biber, Jakob Brodersen, Dmitry Aleynik, Georgina Cole, Jane Dodd, Peter J. Wright, Janine Illian, Mark James, Sophie Smout, James Thorburn, Helen Moor (2025) Animal tracking with particle algorithms informs protected area design. Science Advances. DOI: 10.1126/sciadv.adx0255

Kooperationen

Die Publikation wurde vom Wasserforschungsinstitut Eawag geleitet und finanziert und basiert auf Daten, die im Rahmen des Projekts „Bewegungsökologie des Flapper-Rochen“ gesammelt wurden. Die Studie brachte ein vielfältiges Team von Forschenden aus der Biologie, Statistik, Physik, Mathematik und Ozeanmodellierung sowie Fachpersonen aus dem Naturschutz und politische Entscheidungsträger aus führenden Forschungsinstituten, Naturschutzbehörden und der Regierung zusammen:

  • Edinburgh Napier University
  • University of St Andrews
  • University of Glasgow
  • Scottish Association for Marine Science
  • Royal Zoological Society of Scotland
  • University of Surrey
  • NatureScot
  • Marine Directorate

Die Studie stützt sich auf Daten aus Projekten, die gefördert wurden von:

  • Marine Directorate
  • NatureScot
  • Marine Alliance for Science and Technology for Scotland