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Früherkennung für Abwasserreinigungsanlagen
17. Juni 2025 |
Die Qualität von Oberflächengewässern steht unter vielfältigem Druck, da wir immer mehr Chemikalien verwenden, die auf unterschiedlichen Wegen in Gewässer gelangen. Umso wichtiger ist die Rolle der Abwasserreinigungsanlagen (ARA), in denen die meisten Abwasserströme vor der Einleitung in die Gewässer aufbereitet werden. Durch den Ausbau vieler ARA mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe gelang eine entscheidende Verbesserung bei der Entfernung von Mikroverunreinigungen. Dennoch muss die Qualität des Abwassers stets überprüft werden, um Störfälle erkennen und schnellstmöglich reagieren zu können.
Traditionelle Überwachungsmethoden mit Stich- oder Sammelproben stossen an ihre Grenzen, wenn es darum geht, kurzfristige Konzentrationsspitzen zu erfassen oder zeitnah auf potenziell kritische Substanzen zu reagieren. Besonders bei industriellen Einleitungen kann sich die Zusammensetzung des Abwassers sehr kurzfristig ändern. Ausserdem können extreme Regenfälle sowie Temperaturschwankungen die Reinigungsleistung beeinflussen. All dies kann dazu führen, dass die Qualität des gereinigten Abwassers nicht mehr gewährleistet ist.
Eine mögliche Lösung bieten biologische Frühwarnsysteme – man spricht hier auch von Online-Biomonitoring. Diese Systeme setzen Wasserorganismen ein, um die biologische Wirkung von Substanzen im Abwasser kontinuierlich und in Echtzeit zu überwachen. Werden solche Methoden mit einer kontinuierlichen chemischen Analyse gekoppelt, so ermöglicht dies eine ganzheitliche Bewertung der Wasserqualität und der potenziellen toxischen Effekte von Mikroverunreinigungen.
Batterie aus biologischen Frühwarnsystemen
In biologischen Frühwarnsystemen reagieren Testorganismen auf Belastungen im untersuchten Wasser mit messbaren Veränderungen in einem Stoffwechselprozess oder dem Verhalten. Überschreitet diese Änderung, die laufend überwacht wird, einen Schwellenwert, wird ein Alarm ausgelöst. Als Sensoren werden verschiedene Organismen wie Bakterien, Algen, Kleinkrebse oder Fische eingesetzt. Als Messparameter eignen sich beispielsweise die Photosyntheseaktivität von Algen oder das Schwimmverhalten und die Atmung von Krebstieren und Fischen, die durch Schadstoffe beeinflusst werden können.
Da alle Organismen unterschiedlich auf Mikroverunreinigungen reagieren, gibt es keinen einzelnen Testorganismus, der alle Schadstoffe zuverlässig detektiert. Ideal ist daher eine Batterie aus verschiedenen Systemen. Das Team um Ali Kizgin, der dieses Thema in seiner Doktorarbeit am Oekotoxzentrum zusammen mit Forschenden des Wasserforschungsinstituts Eawag und der Fachhochschule Nordwestschweiz untersucht hat, wählte drei Testsysteme aus: Zum einen eine einzellige Grünalge, bei der die Photosyntheseaktivität durch die kontinuierliche Messung der Fluoreszenz betrachtet wird. Zum anderen zwei Süsswasserkrebse, nämlich Wasserflöhe und Bachflohkrebse, bei denen das Schwimmverhalten und die Aktivität durch Kameras und Bewegungssensoren überwacht werden.
Kombination mit chemischer Online-Analytik
«Wenn man die Biomonitore mit einer hochauflösenden chemischen Analytik kombiniert, so wird es möglich, biologische Alarme zu bestätigen und herauszufinden, welche Substanz für die gemessene Reaktion verantwortlich war», erklärt Ali Kizgin. «Wir waren in einer idealen Situation, da die Eawag gerade das MS2field entwickelt hatte – eine der ersten mobilen Messplattformen, die es erlaubt, Mikroverunreinigungen in umweltrelevanten Konzentrationen im Feld kontinuierlich und zeitlich hochaufgelöst zu messen.».
Es ist jedoch nicht einfach, das Auftreten chemischer Stoffe mit Verhaltensreaktionen zu verknüpfen, da auch andere Umweltfaktoren zu falsch positiven Alarmen führen können. Daher wurden parallel dazu einige physikalisch-chemische Parameter im Abwasser überwacht. Die Kombination aus biologischen und chemischen Frühwarnsystemen wurde über fünf Wochen auf einer kommunalen Klaranlage im Kanton St. Gallen einem Härtetest unterzogen.
Toxische Ereignisse werden überprüft
«Im Versuchsverlauf haben uns die biologischen Frühwarnsysteme tatsächlich mehrmals einen Alarm angegeben», berichtet Ali Kizgin. Die Systeme mit den Wasserflöhen und den Bachflohkrebsen reagierten dabei empfindlicher als das System mit Grünalgen.
«Wenn ein Alarm ausgelöst wurde, haben wir beurteilt, ob die nachgewiesenen Mikroverunreinigungen in Konzentrationen vorlagen, die hoch genug waren, um toxisch zu wirken», sagt Kizgin. «War dies der Fall, haben wir zusätzliche Experimente im Labor durchgeführt, um zu überprüfen, ob eine bestimmte Chemikalie für die biologische Reaktion verantwortlich war».
Im System mit den Bachflohkrebsen wurden während der Versuchsdauer gleich zwei signifikante Alarme ausgelöst. Beim ersten Alarm waren die Tiere nach einem starken Regen plötzlich deutlich aktiver als zuvor. Das chemische Monitoring konnte aber keine relevanten toxischen Substanzen nachweisen. Da die Wassertemperatur durch das Regenereignis gleichzeitig um zwei Grad sank, beeinflusste dies wahrscheinlich das Verhalten der Flohkrebse.
Beim zweiten Alarm konnte mit Hilfe des MS2field das Insektizid Carbofuran nachgewiesen werden, ein in der Schweiz verbotenes Pestizid, das auf wirbellose Wassertiere toxisch wirken kann. Weitere Laborversuche bestätigten, dass Carbofuran mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ursache für den beobachteten Alarm war.
Ein wertvoller Ansatz für das Abwassermanagement
Die Studie zeigt, dass die Kombination von biologischem Onlinemonitoring mit hochauflösender chemischer Überwachung ein wertvoller Ansatz ist, um in Kläranlagen Spitzenbelastungen durch Mikroverunreinigungen in Echtzeit zu erkennen. «Nachdem wir die Methode erfolgreich im kommunalen Abwasser getestet haben, ist sie nun bereit für den Einsatz auf einer industriellen Abwasserreinigungsanlage», sagt Ali Kizgin. «Damit lassen sich auch Schadstoffe identifizieren, die in komplexen Industrieabwässern vorkommen und mit Standardüberwachungsmethoden nicht erfasst werden können.»
Dieser Text ist eine Kurzfassung der ausführlicheren Information auf der Website des Oekotoxzentrums.
Titelbild: Gereinigtes Abwasser kann durch ein Online-Monitoring mit Organismen kontinuierlich überwacht werden. Die so erhaltenen Daten machen es möglich, schnell auf akute Belastungen zu reagieren. (Foto: Oekotoxzentrum)
Originalpublikation
Finanzierung / Kooperationen
- Eawag
- Oekotoxzentrum
- Fachhochschule Nordwestschweiz