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«Grundwasser, der unsichtbare Schatz»

22. März 2022 | Simone Kral

Zum Weltwassertag 2022 richten die Vereinten Nationen den Blick auf unser Grundwasser - einen unsichtbaren Schatz, den sie so ins gesellschaftliche und politische Licht holen möchten. Für die Eawag zählt die Ressource Grundwasser seit langem zu einem ihrer wichtigsten Forschungsschwerpunkte. Ein Überblick.

Grundwasser dient rund der Hälfte der Weltbevölkerung als Trinkwasser und versorgt über 40 Prozent der Landwirtschaft weltweit mit Wasser. Keine Frage also, dass die Forschung rund ums Grundwasser bei der Eawag eine wichtige Rolle spielt: Das Wasserforschungsinstitut befasst sich national und international mit der Grundwasserqualität, der Neubildung von Grundwasser, den geochemischen Prozessen im Untergrund sowie der Aufbereitung von Grundwasser zu Trinkwasser. So trägt die Eawag dazu bei, die natürlichen und anthropogenen Auswirkungen auf das Grundwasser zu verstehen, was für die Versorgung mit Trinkwasser, aber auch für den Schutz der Ressource und die verbundenen Ökosysteme wie Flüsse, Seen und Feuchtgebiete wichtig ist.

Spezialisten am Werk – ob SDGs, maschinelles Lernen oder Modellierung

Beispielsweise entwickeln und verfeinern die Forschenden der Eawag wissenschaftsbasierte Kriterien für die Bewertung und Modellierung von Wasserressourcen. «Unsere Kriterien beruhen auf einem detaillierten Verständnis der physikalischen, chemischen, mineralogischen und biogeochemischen Prozesse, wobei sich die Eawag vor allem durch die Erforschung von deren Verknüpfung auszeichnet», erklärt Michael Berg, Leiter der Abteilung Wasserressourcen und Trinkwasser. «Die Studien reichen vom molekularen bis zum makroskopischen Massstab, vom Reagenzglas bis zur städtischen Wasserversorgungen und von Flusseinzugsgebieten bis zu subkontinentalen Regionen», so Berg weiter.

In den letzten Jahren hat die Eawag, so Berg, zudem eine Vorreiterrolle bei neuen statistischen Verfahren und der Anwendung von maschinellem Lernen eingenommen, um das Risiko natürlicher (geogener) Verunreinigungen anhand von geologischen, topografischen und weiteren Umweltdaten abzuschätzen, ohne alle Grundwasserbrunnen untersuchen zu müssen. Zu diesem Zweck wurden entsprechende Risikokarten von sicherem und unsicherem Grundwasser auf regionaler bis globaler Ebene erstellt.
 

Die Risikokarten und über 500.000 gemessene Grundwasserdaten sind kostenlos auf der Online-Plattform zur Grundwasserbewertung (GAP) visualisiert.

In der Schweiz und Europa liegt der Forschungsfokus auf Industrieverunreinigungen, Pflanzenbehandlungsmitteln und Nitrat. Michael Berg: «In weniger entwickelten Regionen der Welt spielen natürlich vorkommende Schadstoffe wie Arsen und Fluorid eine zentrale Rolle, wobei immer noch zirka 400 Millionen Menschen (5% der globalen Bevölkerung) einer chronischen Vergiftung ausgesetzt sind. Weitere internationale Themen sind Grundwasserversalzung und Verletzlichkeit von Aquiferen, also Grundwasserleitern.»

Aber auch die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, die SDGs, lenken die Forschung. Im Zusammenhang mit den Zielen 3, 4 und 11 untersuchen und entwickeln die Eawag-Forschenden Methoden zur Aufbereitung von Grundwasser, dessen Qualität für die unmittelbare Verwendung als Trinkwasser für den Menschen nicht ausreicht.

Herausforderungen in der Grundwasserforschung

Zu den drängendsten Herausforderungen in der Grundwasserforschung gehören die Vorhersagen zum Klimawandel und die Einordnung der damit einhergehenden Folgen. Zum Beispiel, wie die Bewirtschaftung der Wasserressourcen verbessert werden kann, um die globale Grundwasserverknappung zu verringern oder wie mit dem Rückgang der Neubildung von Grundwasser bei einem gleichzeitigen Anstieg der Grundwassernutzung umzugehen ist.

Berg: «Ausserdem befassen wir uns mit spezifischen Herausforderungen wie der Grundwasserverschmutzung durch landwirtschaftliche Aktivitäten oder den Wechselwirkungen zwischen Grund- und Oberflächenwasser im Hinblick auf die Sanierung von Flüssen und die flussnahe Trinkwassergewinnung.» Aber auch der Wettbewerb um Grundwasserressourcen wird erforscht und man geht der Frage nach, wie sich Projekte zur Geothermie und der CO2-Speicherung auf die Wasserqualität und die Wasserversorgung auswirken - beides Technologien, die international und in der Schweiz stark auf dem Vormarsch sind.
 

Weltwassertag 2022 - «Unser Grundwasser: der unsichtbare Schatz»

Der Weltwassertag, zu dem die Vereinten Nationen (VN) seit 1992 aufrufen, erinnert alljährlich an die Besonderheiten von Wasser als der essenziellsten Ressource allen Lebens. Der Weltwassertag 2022 steht unter dem Motto: «Unser Grundwasser: der unsichtbare Schatz». Mit diesem Jahresthema wollen die VN weltweit auf die Bedeutung des Grundwassers aufmerksam machen und es ins Bewusstsein der Menschen rufen.

Die elementare Bedeutung des Grundwassers als unverzichtbare Ressource und Teil des Wasserkreislaufs und die Belastungen, denen es durch menschliche Tätigkeiten und zunehmend durch den Klimawandel ausgesetzt ist, sind vielen Menschen nicht wirklich präsent und bewusst. Aus diesem Grund und im Hinblick auf den bevorstehenden Klimawandel rücken die Vereinten Nationen die Bedeutung und den Wert unseres kostbaren Grundwassers wieder stärker ins gesellschaftliche sowie politische Bewusstsein.

Titelbild: Der Klimawandel und andere menschliche Einflüsse setzen dem Grundwasser nicht nur hierzulande zu.
(Foto: Tom-Kichi, iStock)
 

Publikationen zum Thema

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