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Kälteschock im Genfersee – Alplakes zeigt warum

10. Juni 2025 | Bärbel Zierl

Ein plötzlicher Temperatursturz im Genfer Seebecken über das Pfingstwochenende lässt Badende frösteln: Innerhalb weniger Tage fiel die Wassertemperatur in der Nähe der Stadt Genf an der Oberfläche um rund 8 Grad. Verantwortlich ist ein Naturphänomen, das sich eindrucksvoll auf der Plattform Alplakes beobachten lässt.

Im Genfer Seebecken hat sich über das Pfingstwochenende ein bemerkenswerter Temperatursturz ereignet. Innerhalb weniger Tage sank die Wassertemperatur von 19 auf 11 Grad – eine abrupte Abkühlung, die sich eindrücklich auf der Plattform www.alplakes.eawag.ch nachvollziehen lässt. Damien Bouffard, Leiter der Forschungsgruppe Aquatische Physik an der Eawag und Professor an der Universität Lausanne, erklärt das Naturereignis: «Ein kräftiger und anhaltender Südwestwind hat in den vergangenen Tagen das warme Oberflächenwasser im Genfer Seebecken nach Nordosten verdrängt. Als Ausgleich ist kaltes Tiefenwasser aufgestiegen – ein Prozess, der als ‚Upwelling‘ bekannt ist.»

Dieses Phänomen tritt im Genfersee fast jedes Jahr im Frühsommer auf, wenn die Warmwasserschicht an der Oberfläche noch relativ dünn ist. Der bisher stärkste bekannte Temperatursturz wurde Ende Juni 2017 beobachtet. Damals sank die Wassertemperatur im Genfer Strandbad Bains des Pâquis innerhalb von zwei Tagen von 23 auf gerade einmal 8 Grad – ein Schock für alle Badenden.
 

Illustration des während des langen Wochenendes aufgezeichneten «upwellings» mit einem Unterschied von mehr als 8 °C in der Oberflächentemperatur zwischen den gegenüberliegenden Enden des Sees. Das aufgestiegene kalte Wasser im „Petit Lac“ in der Nähe der Stadt Genf ist besonders deutlich zu erkennen, wenn man die Temperaturentwicklung über einen Seeschnitt betrachtet. Visualisierung von www.alplakes.eawag.ch.

Die Reaktion auf das Starkwindereignis vom Wochenende war nicht auf den Genfersee beschränkt: Auch im Vierwaldstättersee bei Luzern wurde Upwelling mit kaltem Wasser an der Oberfläche beobachtet, ebenso im Thunersee, wo dies zu einem deutlichen Temperaturabfall in der Aare führte.

Spannende Einblicke in unsere Seen

Die von der Eawag betriebene Plattform Alplakes dokumentiert nicht nur bisherige Upwelling-Ereignisse, sie hat dieses auch bereits vor einigen Tagen vorhergesagt. Wer also einen Blick auf die Plattform geworfen hatte, wurde beim Sprung ins kalte Nass nicht überrascht. Alplakes vereint dreidimensionale Modellrechnungen mit Satellitendaten und liefert so Vorhersagen zur Wassertemperatur in verschiedenen Tiefen – in 30-Minuten-Schritten für die nächsten fünf Tage. Alplakes wurde in letzter Zeit zudem deutlich ausgebaut und nutzerfreundlich gestaltet. Die Plattform bietet damit nicht nur spannende Einblicke für Forschende, sondern auch wertvolle Informationen für Wasserfachleute sowie Bürgerinnen und Bürger.

Neben Temperaturverläufen zeigt Alplakes auch andere dynamische Prozesse für 116 Seen in den und rund um die Alpen: etwa wie sich Blaualgen derzeit in unseren Gewässern ausbreiten. Auch Experimente können mit Hilfe der Plattform durchgeführt werden: Zum Beispiel können Substanzen an einem beliebigen Punkt in einen See eingebracht werden – Alplakes berechnet dann, wohin die Substanzen von der aktuellen Zirkulation transportiert werden. Eindrücklich zeigen sich auch die Folgen des Klimawandels auf die Schweizer Seen, zum Beispiel wie sich die Wassertemperaturen in der Vergangenheit angestiegen sind und welche Entwicklung für die kommenden Jahrzehnte zu erwarten ist. Oder die Auswirkungen der Erwärmung auf die Schichtung des Sees.

Klimawandel verändert die Durchmischung der Seen

Tiefenprofile auf Alplakes zeigen etwa, wie sich die oberen Wasserschichten im Sommer erwärmen und im Winter abkühlen. Verglichen damit bleibt das Tiefenwasser in tiefen Seen mit etwa 5 bis 6 Grad das ganze Jahr über konstant kühl. Diese Schichtung sorgt im Sommer für geringe vertikale Zirkulation. Im Winter hingegen, wenn sich der gesamte See auf eine einheitliche Temperatur abkühlt, kommt es zu einem wichtigen Austausch zwischen nährstoffreichem Tiefen- und sauerstoffreichem Oberflächenwasser. «Dieser Austausch ist essenziell für das Ökosystem unserer Seen», betont Bouffard. «Doch mit der Klimaerwärmung kühlt sich das Oberflächenwasser im Winter mancherorts nicht mehr ausreichend ab. Der notwendige Zirkulationsprozess wird gestört – mit drastischen Folgen für das Leben in der Tiefe.»

Alplakes: Wissen für das nachhaltige Managen unserer Seen

Im vergangenen Jahr verzeichnete die Plattform rund 150'000 Zugriffe – ein grosser Erfolg. Dennoch gibt es noch Herausforderungen. «Unsere Modelle sind in den Uferzonen bisher weniger genau», räumt Bouffard ein. «Gerade dort halten sich aber die meisten Badenden auf. Wir investieren derzeit gezielt in die Verbesserung dieser Vorhersagen.»

Ziel von Alplakes ist es, das Verständnis und Management von Seen zu verbessern. Die Plattform richtet sich nicht nur an Forschende, sondern auch an Fachpersonen aus der Wasserwirtschaft sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger. «In Zeiten des Klimawandels wollen wir helfen, fundierte Entscheidungen im Seemanagement zu treffen», so Bouffard. «Und das Bewusstsein für den Wert und die Verletzlichkeit unserer Seen stärken.»
 

Vision Alplakes

Diese Plattform zielt darauf ab, die Erforschung und Überwachung von Seen zu revolutionieren, indem sie Bürgerinnen und Bürgern, Wasserfachleuten und Forschenden eine einheitliche, benutzerfreundliche Oberfläche zur Datenvisualisierung bietet. Dieser breitere Zugang zu hydrodynamischen Modellen und Fernerkundungsdaten beschleunigt nicht nur die wissenschaftliche Forschung, sondern ermöglicht auch evidenzbasierte Entscheidungen im Wasserressourcenmanagement. Was früher spezialisiertes Fachwissen erforderte, ist nun über eine nahtlose, benutzerfreundliche Plattform zugänglich, die wissenschaftliche Genauigkeit mit praktischem Nutzen verbindet.

Titelbild: Der Genfersee (Foto: Michael Heck/Pixabay).