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Weniger Nährstoffeinträge aus der Atmosphäre in den Boden

26. Mai 2021 | Bärbel Zierl

Der Wechsel von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern ist für den Klimaschutz unerlässlich, wird aber auch den Eintrag der Nährstoffe Schwefel und Selen aus der Atmosphäre in den Boden erheblich reduzieren. Es braucht daher nachhaltige Lösungen, um intensiv genutzte Landwirtschaftsböden mit ausreichend Nährstoffen zu versorgen und eine sichere und gesunde Ernährung der Weltbevölkerung zu gewährleisten.   

Weltweit wird die Energiewende – also der Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger – vorangetrieben. «Die Verringerung der Emissionen von fossilen Brennstoffen war entscheidend für die Bekämpfung der Luftverschmutzung und ist unerlässlich, um die Klimaschutzziele zu erreichen», sagt Lenny Winkel, ETH-Professorin und Gruppenleiterin am Wasserforschungsinstitut Eawag. «Es hat aber auch unerwartete Folgen für den Nährstoffeintrag in Böden und damit für die Produktion von Nutzpflanzen.»

Unerwarteter Nebeneffekt fossiler Brennstoffe

Beim Verbrennen fossiler Rohstoffe wie Kohle, Erdgas oder Erdöl werden Kohlendioxid CO2 und andere Schadstoffe wie etwa das toxische Quecksilber in die Atmosphäre freigesetzt. Für zwei dieser Schadstoffe – Schwefel und Selen – ist die Geschichte jedoch komplizierter. Beide Elemente können in hohen Konzentrationen schädliche Auswirkungen haben. Gelangen sie jedoch über den Regen in den Boden, spielen sie als Nährstoffe eine entscheidende Rolle in landwirtschaftlichen Systemen.

Schwefel ist ein essentieller Nährstoff für die Gesundheit und das Wachstum von Pflanzen und daher von zentraler Bedeutung, um hohe Ernteerträge sicherzustellen. Ein Mangel an Schwefel wird immer häufiger bei Nutzpflanzen festgestellt und gefährdet in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend die Ernährungssicherheit weltweit.
 

Vorhersage der Veränderungen in Schwefel (a) und Selenium (b) Depositionen zwischen den Zeiträume 2005 – 2009 und 2095 – 2099 für ein sozioökonomisches Szenario für nachhaltige Entwicklung (SSP1-2.6). Blaue Farben markieren geringere zukünftige Einträge, rote Farben höhere zukünftige Einträge im Vergleich zu heute. (Grafik: Ari Feinberg & Lenny Winkel)

Geringe Selenversorgung birgt Risiko für Nährstoffmangel

Selen wird ebenfalls von den Pflanzen aus dem Boden aufgenommen, ist aber nicht wichtig für das Pflanzenwachstum, sondern ein lebenswichtiges Spurenelement für die Gesundheit von Menschen und Nutztieren, insbesondere für deren Immunsystem. Ein hoher Gehalt von Pflanzen-verfügbaren Selen im Boden ist daher von grossem Interesse für die Produktion gesunder, selenreicher Nahrungsmittel. Bereits heute sind laut Schätzungen zwischen einer halben und einer Milliarde Menschen mit Selen unterversorgt.

Ein Team von Forschenden der Eawag, der ETH Zürich und aus den USA, geleitet von Lenny Winkel und ihrem ehemaligen Doktoranden Ari Feinberg, hat nun die weltweite Deposition von Schwefel und Selen mit einem kombinierten Modellierungsansatz untersucht. Die Ergebnisse haben sie im heute erschienenen Artikel Reductions in the deposition of sulfur and selenium to agricultural soils pose risk of future nutrient deficiencies im Nature Journal «Communications Earth & Environment» publiziert.  Das Forscherteam nutzte ein globales Aerosol-Chemie-Klimamodell, um die Depositionen der letzten Jahre (2005 – 2009) weltweit zu kartieren und zukünftige Veränderungen (2095 – 2099) unter zwei sozioökonomischen Szenarien vorherzusagen.

Rückgang an Schwefel- und Selendepositionen gefährden Nahrungsmittelproduktion

«Unsere Modellberechnungen zeigen einen erheblichen Rückgang der Deposition auf landwirtschaftlichen Flächen», sagt Feinberg, der Erstautor der Studie und seit kurzem Postdoc am MIT in den USA. «Die Einträge von Schwefel könnten um 70 bis 90 Prozent bis zum Ende des 21. Jahrhunderts zurückgehen, diejenige von Selen um 55 bis 80 Prozent». Vor allem für landwirtschaftliche Flächen, denen durch die umfangreiche Ernte grosse Mengen an Schwefel und Selen entzogen wird, wird die ausreichende Zufuhr von Nährstoffen zur Herausforderung werden.

In ihrem Artikel fordern die Forschenden daher dazu auf, die sich verändernde Nährstoffversorgung in der Landwirtschaft weiter zu beobachten und nachhaltige Lösungen zu entwickeln, um den Rückgang an Nährstoffeinträgen zu bewältigen. «Das kann dazu beitragen, die Versorgung der Weltbevölkerung mit gesunden und nährstoffreichen Nahrungsmitteln sicherzustellen», sagt Winkel.

Titelbild: Ari Feinberg & Lenny Winkel

Originalpublikation

Aryeh Feinberg, Andrea Stenke, Thomas Peter, Eve-Lyn S. Hinckley, Charles T. Driscoll & Lenny H. E. Winkel (2021) Reductions in the deposition of sulfur and selenium to agricultural soils pose risk of future nutrient deficiencies
https://doi.org/10.1038/s43247-021-00172-0