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Mikrobielles Leben im Untergrund stabiler als erwartet
1. Juli 2025 |
Thermale Grundwassersysteme, wie sie in den Alpen beispielsweise bei Lavey-les-Bains auftreten, sind natürlich warme, unterirdische Gewässer, die zum Teil als heisse Quellen an der Erdoberfläche austreten. Diese Systeme sind reich an Gasen und Mineralien. Sie beherbergen aber auch Ökosysteme, in denen Mikroben ohne Sonnenlicht existieren, indem sie Schwefel, Eisen oder Wasserstoff für ihren Stoffwechsel nutzen. Es ist jedoch schwierig, diese mikrobiellen Gemeinschaften zu untersuchen, da ihre Lebensräume kaum zugänglich sind. Daher ist das Wissen über thermale Grundwassersysteme, die auch wegen ihres Potenzials für die klimafreundliche Energiegewinnung von Interesse sind, nach wie vor begrenzt.
Eine kürzlich in der Zeitschrift «Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)» erschienene Studie wirft nun ein Licht auf diese verborgenen Ökosysteme. Sébastien Giroud von der Abteilung Wasserressourcen & Trinkwasser des Wasserforschungsinstituts Eawag untersuchte im Rahmen seiner Dokorarbeit, wie die Mikroben im Untergrund auf saisonale Veränderungen der chemischen Zusammensetzung des Wassers reagieren. Dafür beprobte das Team um Giroud das Grundwasser ganzjährig in Tiefen zwischen 200 und 500 Metern. Dabei wurden gelöste Ionen, Wasserisotope und Edelgase gemessen, um die Variabilität in der Wasserchemie zu erfassen. DNA-Sequenzierung lieferte ausserdem Informationen zu Veränderungen in der mikrobiellen Zusammensetzung.
Eine der Messstellen in Lavey-les-Bains, wo Thermalwasser aus 200 m Tiefe gepumpt wird.
Das mobile Gasanalysegerät («miniRuedi») im orangen Koffer analysiert die im Thermalwasser enthaltenen Gase.
(Foto: Sébastien Giroud, Eawag)
Die Ergebnisse zeigen Unerwartetes: Obwohl geochemische Indikatoren wie die elektrische Leitfähigkeit und die Konzentration gelöster Gase klare saisonale Schwankungen in der Zusammensetzung des Wassers anzeigen, bleiben die mikrobiellen Gemeinschaften stabil. Verantwortlich für die variierende Zusammensetzung des Wassers ist die jahreszeitlich unterschiedliche Mischung von jüngerem, oberflächennahem und altem Grundwasser aus der Tiefe innerhalb des Thermalsystems. Das hat vor allem mit der Schneeschmelze und der damit verbundenen Grundwasserneubildung im Sommer zu tun. Die mikrobiellen Gemeinschaften, deren Zusammensetzung mit der Tiefe variiert, verändern sich im Jahresverlauf hingegen kaum: So domineren in 200 m Tiefe schwefelabbauende Bakterien, während in 500 m Tiefe Bakterien vorherrschen, die Sulfat, Eisen oder Wasserstoff nutzen.
Diese Ergebnisse legen nahe, dass nicht die Wasserzusammensetzung, sondern andere Umweltbedingungen, in diesem Fall die Temperatur, das mikrobielle Leben in tiefen kontinentalen Grundwassersystemen bestimmen. Zudem zeugen die Daten von der bemerkenswerten Widerstandsfähigkeit mikrobiellen Lebens tief in der Erde. «Die Annahme, dass alles Leben im Untergrund von den Bedingungen an der Oberfläche beeinflusst werden, wird damit relativiert», sagt Sébastien Giroud. Umso genauer gelte es aber abzuklären, so der Forscher, was Eingriffe im Untergrund – etwa die Entnahme oder das Zuführen von Wärme – für Konsequenzen haben (siehe auch Box).
Dieser Text wurde vom Marine Science Institute der Universität Texas verfasst und von der Eawag überarbeitet und ergänzt.
Grundwasser unter Druck
Das oberflächennahe Grundwasser ist vor allem in dicht genutzten Gebieten wie dem Schweizer Mittelland stark unter Druck: Zu stofflichen Belastungen aus Verkehr, Landwirtschaft oder Deponien kommen thermische Belastungen durch den Klimawandel, ins Grundwasser reichende Tiefbauten und Entnahmen. Inwiefern auch tieferliegende Grundwasserleiter diesem Druck ausgesetzt sind und welche Folgen Eingriffe haben können, ist Gegenstand von Studien und Forschungsprojekten. Zum Beispiel im Zusammenhang mit der Speicherung von Wärme in rund 100 Metern Tiefe im Projekt ARTS auf dem Empa-Eawag-Campus in Dübendorf. Auch der Bund befasst sich mit der Thematik: Eine Motion, zu der ein Bericht in Arbeit ist, stellt die Frage, ob die bisher geltenden Regeln für Temperaturveränderungen im Grundwasser auch für tieferliegende Stockwerke gelten sollen oder gelockert werden könnten.
Am 4. September findet ausserdem der Eawag-Infotag zu dieser Thematik statt: «Grundwasser – die Ressource Trinkwasser nutzen und schützen».
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Titelbild: Das Thermalbad von Lavey-les-Bains nutzt natürlich warmes Grundwasser (Foto: Alain Baschenis).
Originalpublikation
Finanzierung / Kooperationen
- Eawag
- ETH Zürich
- Universität Basel
- University of Texas at Austin
- Kanton Wallis