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Wie aquatische Ökosysteme auf hohe Nährstoffeinträge reagieren

16. Oktober 2019 | Stephanie Schnydrig

Muscheln und Wasserpflanzen in aquatischen Ökosystemen klären das Wasser und sorgen normalerweise dafür, dass sich Algen nicht zu stark vermehren. Doch Experimente in der Versuchsteichanlage der Eawag zeigen, dass das gleichzeitige Auftreten beider Arten das Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen können.

Ökosysteme nützen uns in vielerlei Hinsicht: Sie liefern Nahrung, sauberes Wasser und andere Ressourcen. Umso wichtiger, dass sie auch bei Störungen wie hohen Nährstoffeinträgen stabil bleiben.

Nährstoffeinträge können jedoch zu Algenblüten führen und aquatische Ökosystemen aus dem Gleichgewicht bringen. Denn zu viele Algen verschlechtern die Wasserqualität durch den Entzug von Sauerstoff. Gefährlich wird es, wenn sich Blaualgen ausbreiten. Sie können giftige Stoffe produzieren, die bei Menschen zu Hautausschlägen führen. Für einige Wasserorganismen, wie Wasserflöhe, können die Stoffe sogar tödlich sein.

In einem heute veröffentlichten Fachartikel in der Zeitschrift "Proceedings of the Royal Society B" zeigen Eawag-Forschende um die Biologin Anita Narwani auf, wie sich Nährstoffeinträge auf die Ökosysteme in der Versuchsteichanlage der Eawag auswirken. Sie konzentrierten sich dabei auf zwei wichtige Arten: die in der Schweiz invasive Wandermuschel (Dreissena polymorpha) und die Wasserpflanze Ähriges Tausendblatt (Myriophyllum spicatum).
 

Die Versuchsteichanlage an der Eawag. (Foto: Thomas Klaper)

Wandermuschel und Ähriges Tausendblatt platzierten die Forschenden in unterschiedlichen Kombinationen in zwanzig Teichen mit Wasser aus dem Greifensee. In den Teichen befanden sich entweder nur Muscheln oder nur Wasserpflanzen oder beide zusammen oder keine von beiden. Alle zwei Wochen versetzten die Forschenden die Teiche mit Phosphor und Nitrat und erhöhten die Mengen von Mal zu Mal. Zusätzlich gab es als Kontrollsystem Teiche ohne Muscheln und Wasserpflanzen, die nicht gedüngt wurden.

Unerwartete Ergebnisse

Nach drei Monaten zogen die Forschenden Bilanz: In den Teichen, in denen sich nur Muscheln oder nur Wasserpflanzen befanden, nahm die Algenblüte verglichen mit dem Kontrollsystem zwar kurz nach Nährstoffzugabe zu, klang dann aber rasch wieder ab. In diesen Teichen war das Wasser im Laufe des Experiments insgesamt klarer als in den Teichen, in denen sich weder Muscheln noch Tausendblatt befanden.

«Viel überraschender war für uns allerdings eine andere Beobachtung», sagt Anita Narwani. Sobald beide Arten zusammen auftraten, trübte sich das Wasser erstaunlich stark, die Algenblüte nahm zu und blieb länger bestehen, wenn die Nährstoffkonzentrationen erhöht wurden. Hinzu kommt, dass in diesem Fall eine Blaualge überhandnahm

Wie lässt sich das erklären? «Die Muscheln und Wasserpflanzen klären das Wasser zwar, sie reduzieren aber vor allem den Anteil an Grünalgen», sagt Anita Narwani. Die Blaualgen hingegen sind resistenter und konnten sich mit zunehmenden Nährstoffgehalt und abnehmender Grünalgenpopulation stark vermehren. Auch Experimente im Labor, die Narwani durchführte, unterstützen diese These.

«Unsere Studie bestätigt, dass die Stabilität aquatischer Ökosysteme stark von komplexen Wechselwirkungen zwischen Arten beeinflusst wird», sagt Narwani. Vor allem für das Management von Seen ist diese Erkenntnis sehr wichtig. Sie zeigt wie das Eindringen neuer Arten Ökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen können. 

Anita Narwani entnimmt eine Wasserprobe aus einem der Versuchsteiche.
(Foto: Thomas Klaper)

Die Studie veranschaulicht ebenfalls die Vorteile einer experimentellen Teichanlage. Hier können Forschende  natürliche Ökosysteme in überschaubaren Umfang untersuchen. «Auf Seen ist es nicht möglich, kontrollier- und wiederholbare Experimente durchzuführen. Diese künstlichen Teiche können wir aber experimentell manipulieren, um die Dynamik der natürlichen Ökosysteme besser zu verstehen», sagt Narwani.

Originalpublikation

Interactive effects of foundation species on ecosystem functioning and stability in response to disturbance.
http://rspb.royalsocietypublishing.org/lookup/doi/10.1098/rspb.2019.1857
DOI: 10.1098/rspb.2019.1857