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Die Qualität von Trinkwasser abschätzen und vorhersagen

9. Mai 2022 | Annette Ryser

Oliver Schilling ist neu Professor für Hydrogeologie an der Universität Basel und baut dort eine Forschungsgruppe auf, die auch mit der Abteilung Wasserressourcen und Trinkwasser der Eawag in Dübendorf assoziiert ist. Diese doppelte Zugehörigkeit ist perfekt, meint Schilling.

Den Grossteil seiner Arbeitszeit verbringt Oliver Schilling an der Universität Basel, wo er seit anfangs März als neuer Assistenzprofessor für Hydrogeologie seine Forschungsgruppe um sich schart. An der Universität Basel leitet er zudem die Arbeitsgruppe «Angewandte und Umweltgeologie», die unter anderem die beiden Kantone Basel sowie regionale Unternehmen bei der Bewirtschaftung von Wasser-, Energie- und Untergrundressourcen unterstützt. An mindestens einem Tag pro Woche ist Schilling in Dübendorf anzutreffen, wo er und seine Mitarbeitenden sich mit Kolleginnen und Kollegen der Eawag austauschen und vernetzen.

Kombination von Tracer-Daten mit Modellierungsansätzen

Einige Menschen mag der Gedanke, an zwei verschiedenen Orten zu arbeiten, vielleicht abschrecken, doch Schilling sieht das anders: «Für mich ist diese Ausgangslage perfekt. In die Strukturen und das damit verbundene Wissen beider Institute eingebunden zu sein ist wie der Fünfer und das Weggli». Mit seinem Team untersucht Schilling, wo, wie und wann Grundwasser durch den oberflächennahen Untergrund fliesst. Aus dieser Zone im Untergrund wird auch das Trinkwasser für den grössten Teil der Schweizer Bevölkerung gewonnen. Seine Forschung decke deshalb ein gesellschaftlich relevantes Thema ab: «Wir entwickeln Methoden, um die Neubildung und die Qualität von Trinkwasser abschätzen und vorhersagen zu können», sagt Schilling.

Dabei kombinieren die Forschenden neuartige Messmethoden mit ausgeklügelten mathematischen Modellierungsansätzen: Zuerst identifizieren Schilling und sein Team mit Markierungsstoffen, so genannten Tracern, wieviel Wasser etwa aus Flüssen in den Untergrund sickert – und dann unterirdisch durch Sand, Kies oder Schotter weiterfliesst. «Dann verwenden wir diese Tracer-Daten, um unsere Modelle und Simulationen zu kalibrieren», erklärt Schilling.
 

Oliver Schilling beim Messen von Quellwasser am Mount Fuji in Japan.
(Foto: T. Schilling)

Seine Gruppe setzt dabei vor allem auf natürliche, bereits in der Umwelt vorhandene Markierungsstoffe – wie zum Beispiel Edelgase. «Das sind ideale Tracer, denn sie reagieren nicht mit anderen Stoffen im Wasser oder im Boden», sagt Schilling. Dass seine Gruppe an der Eawag-Abteilung Wasserressourcen und Trinkwasser angegliedert ist, wo Edelgas-Messmethoden entwickelt werden, empfindet Schilling deshalb als Privileg. «Dadurch haben wir direkten Zugang zu einzigartigem Know-how und modernsten Messgeräten.»

«Autobahnen im Untergrund»

Er sei von Haus aus Umweltnaturwissenschafter, meint Schilling. Erst während des Doktorats hat er sich – dafür voll und ganz – dem Thema Wasser im Untergrund verschrieben. Seither steht die Verbesserung und Verfeinerung von hydrogeologischen Modellen im Zentrum seines Forschungsinteresses. Früher fussten die Modelle auf simplen Ansätzen und wenigen Messungen. «Sie waren stark vereinfacht», sagt Schilling. Doch heute ginge es zusehends auch darum, nicht nur den Wasserstand zu kennen, sondern auch weitere Aspekte wie etwa die Fliessgeschwindigkeiten, Temperaturen und die Qualität des Grundwassers korrekt zu erfassen und abzubilden.

Denn es macht einen grossen Unterschied, ob sich das Wasser nur langsam durch feinkörnigen Sand bewegt – oder viel schneller durch die groben Poren von Kies und Schotter strömt. Schotterablagerungen sind in den so genannten Erosionsrinnen von prähistorischen Flüssen zu finden, die sich vor Jahrmillionen durch das Schweizer Mittelland schlängelten. Weil das Grundwasser in diesen unterirdischen Rinnen rascher vorwärtskommt, spricht Schilling auch von «Autobahnen im Untergrund».

Die unterschiedlichen Fliessgeschwindigkeiten des Grundwassers sind von Bedeutung, zum Beispiel bei der Ausscheidung von Schutzzonen, die von Gesetzes wegen um Trinkwasserfassungen angelegt werden müssen. Wo das Grundwasser schneller fliesst, legt es in den zehn Tagen Aufenthalt im Untergrund (auf welchen zum Beispiel die Ausscheidung der Schutzzone S2 basiert) auch eine grössere Strecke zurück. Dementsprechend sollten beim Ausscheiden von Schutzzonen solche ehemaligen Erosionsrinnen unbedingt berücksichtigt werden, erklärt Schilling.
 

Prof. Oliver Schilling

Nach seinem Studium der Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich (2005 bis 2011) doktoriert Oliver Schilling an der Universität Neuenburg zu den Wechselwirkungen zwischen Oberflächengewässer und Grundwasser. Seine Doktorarbeit wird im Jahr 2017 mit dem Prix Leon du Pasquier et Louis Perrier ausgezeichnet, der jährlich jeweils der besten Dissertation an der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät in Neuenburg verliehen wird. Dann reist Schilling mit einem Forschungsstipendium zuerst nach Kanada an die Université Laval und anschliessend nach Australien an die Flinders University, bevor er als Forscher in einem Horizon 2020 Projekt und Koordinator der Schweizerischen Doktorandenschule für Water- Earth Systems an die Universität Neuenburg zurückkehrt. Seit März 2022 ist Schilling Professor für Hydrogeologie an der Universität Basel und an der Eawag.

Titelbild: Oliver Schilling (Foto: T. Schilling)