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Citizen-Science: Wissen als Waffe im Kampf für sauberes Wasser

8. Februar 2022 | Isabel Plana

Der Bergbau kann in Ländern des Globalen Südens, wo Umweltgesetze oft nur bruchstückhaft umgesetzt werden, gravierende Folgen für die Natur und die Gesundheit der Bevölkerung haben. In Hwange, im Westen Simbabwes, wehren sich die Menschen schon seit Jahren gegen die Wasserverschmutzung durch die Kohlebergwerke. Doch sie hatten gegen die Betreiber nichts in der Hand – bis die Doktorandin Désirée Ruppen 2018 ein Citizen-Science-Projekt lanciert.

Zu viel Nickel, zu viel Arsen und viel zu viel Mangan. Das Forschungsprojekt von Désirée Ruppen, die am Wasserforschungsinstitut Eawag und an der ETH Zürich promoviert, liefert erstmals den wasserdichten Beleg für das, was eigentlich alle vor Ort schon wussten: Der Fluss Deka im Distrikt Hwange ist durch den Steinkohleabbau und das Kohlekraftwerk stark belastet und für die Menschen, die sein Wasser trinken oder in ihm fischen, ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko. Es ist ein wichtiges Ergebnis für die Lokalbevölkerung. Nicht nur, weil sie im Kampf gegen die verantwortlichen Unternehmen nun erstmals wissenschaftliche Daten in der Hand hat, sondern vor allem, weil sie selber wesentlich dazu beigetragen hat, diese Daten zusammenzutragen. «Ich wollte schon seit längerem ein Citizen-Science-Projekt machen, um die Wasserverschmutzung in einem Bergbaugebiet zu dokumentieren», erzählt Désirée Ruppen. «In Hwange bin ich auf eine sehr engagierte Community gestossen, die dieses Projekt ermöglicht hat.»
 

Beobachtungen ergänzen Messungen

13 Frauen und Männer aus verschiedenen Dörfern – die Jüngste 16, der Älteste fast 70, die allermeisten nur mit Grundschulbildung – haben bei der Studie mitgewirkt. Nach einer Schulung, bei der Ruppen den Laien erklärte, wie man bei der Wasserbeprobung vorgeht, machten sich diese ans Werk. An acht verschiedenen Standorten entlang des Dekas und eines Zuflusses, der Abwasser aus den Minen und dem Kohlekraftwerk transportiert, füllten sie alle ein bis zwei Wochen Wasser in Plastikröhrchen ab und massen dessen pH-Wert. Von Dezember 2018 bis März 2020 kamen so 420 Proben zusammen. «Der community-basierte, partizipative Ansatz hat aus Forschungssicht viele Vorteile, vor allem im Bereich des Umweltmonitorings», sagt Ruppen. Als Schweizer Forschende in Afrika reisten sie normalerweise für Messkampagne ein paar Wochen vor Ort, sammelten intensiv Daten und wiederholten das Ganze einige Monate später. «Damit haben wir immer nur einen sehr begrenzten zeitlichen Ausschnitt. Anwohnerinnen und Anwohner hingegen können über längere Zeiträume regelmässig Proben nehmen und auf aussergewöhnliche Ereignisse reagieren. In unserem Fall konnten wir so das gesamte hydrologische Jahr mit Regen- und Trockenzeit und all seinen Schwankungen abbilden.»

Ergänzt wurden die Daten durch rund 350 zusätzliche Proben, welche Ruppen und ein junger Wissenschaftler der Universität Simbabwe an weiteren Standorten nahmen, sowie durch die Aufzeichnungen der im Fluss installierten Messsonden. Messwerte werden aber erst dann aussagekräftig, wenn man sie richtig zu interpretieren weiss. «Dazu braucht es Hintergrundinformationen zu den Umständen vor Ort. Deshalb waren die Notizen, die sich die 13 Amateurforschenden im Zusammenhang mit ihren Messungen machten, besonders wertvoll», sagt Ruppen. Sie führten Buch über die Wetterverhältnisse und die Farbe des Wassers, dokumentierten ihre Beobachtungen zum Zustand des Ökosystems, etwa das Vorhandensein von Fischen und Insekten, und vermerkten auch, wenn eine der Firmen mal wieder verschmutztes Wasser illegal aus den Kohlegruben abgepumpt hatte. «So konnten wir nicht einfach nur die Qualität des Wassers bestimmen, sondern auch erklären, warum es zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erhöhter Verschmutzung und Fischsterben kam und wer dafür verantwortlich war.»
 

Proberöhrchen im Gepäck

Die Auswertung der Wasserproben nahm Ruppen am Wasserforschungsinstitut Eawag vor, weil sie in Simbabwe kein Labor mit den erforderlichen Qualitätsstandards finden konnte. Um die Proben der ersten paar Monate abzuholen, reiste die Forscherin im Februar 2019 erneut nach Hwange. «Ich war ziemlich aufgeregt. Haben die Leute die Proben überhaupt genommen und wenn ja, korrekt? Sind alle engagiert dabeigeblieben? Die Motivation der Beteiligten ist in solchen Citizen-Science-Projekten entscheidend. Da hatte ich am Anfang das grösste Fragezeichen.» Die Sorge war unbegründet, wie sich herausstellte. «Die Leute empfingen mich mit säckeweise Proben und hatten viel zu erzählen. Ich war enorm erleichtert.» Die Zusammenarbeit mit der Community funktionierte trotz Distanz und technischer Hürden – nicht alle hatten ein funktionstüchtiges Handy, um Ruppen auf dem Laufenden zu halten – ziemlich gut. Eine viel grössere Herausforderung war die Logistik. «Die Plastikröhrchen für die Wasserproben sind in Simbabwe nur schwer zu bekommen und zehnmal so teuer wie bei uns. Ich bestellte deshalb welche in Südafrika, die wurden aber auf dem Transport gestohlen. Schliesslich brachte ich selber säckeweise Proberöhrchen aus der Schweiz mit.»

Wissen ist Macht

Die Studie ist mittlerweile abgeschlossen. Sie hat nicht nur wichtige Zahlen und Antworten geliefert, sondern die Menschen vor Ort nachhaltig geprägt. «Ich finde es faszinierend, wie sich die Leute das Vokabular angeeignet haben, wie sie jetzt mit Regierungsbeamten zum Beispiel über pH-Werte diskutieren. Sie können jetzt mitreden und werden ernster genommen als vorher», sagt Ruppen. «Eine junge Frau hat mir erzählt, dass sie, seit sie beim Projekt mitgemacht hat, zu den Treffen der Dorfältesten eingeladen wird, weil sie etwas zum Wasser sagen kann.» Auch das ist eine Stärke von Citizen-Science-Projekten: Sie befähigen die Lokalbevölkerung, stärken ihre Position gegenüber Wirtschaft und Staat und gleichen so Machtasymmetrien aus.

Einige der Amateurforschenden hätten das Projekt gerne weitergeführt, weiterhin Proben gesammelt, um noch mehr Evidenz zu schaffen, weiss Ruppen. «Das wird aber am Resultat nichts ändern. Es hat jetzt genug fundierte, stichhaltige Daten, die das Ausmass der Verschmutzung klar aufzeigen und keine Ausflüchte mehr erlauben. Jetzt müssen die Regierung und die Unternehmen endlich konsequente Massnahmen ergreifen.» Ein nächster Schritt in diese Richtung zeichnet sich bereits ab: Die Organisation, die die Lokalbevölkerung in Hwange schon länger in ihrem Kampf gegen die Wasserverschmutzung begleitet, will Klage gegen die verantwortlichen Firmen einreichen. Die Daten von Ruppens Studie sind ein Grundpfeiler der Argumentation.

Titelbild: Einer der 13 Amateurforschenden misst den pH-Wert in einem Abwasserkanal eines Bergwerks. (Foto: Fritz Brugger)

Originalpublikation

Ruppen, D.; Chituri, O. A.; Meck, M. L.; Pfenninger, N.; Wehrli, B. (2021) Community-based monitoring detects sources and risks of mining-related water pollution in Zimbabwe, Frontiers in Environmental Science, 9, 754540 (16 pp.), doi:10.3389/fenvs.2021.754540, Institutional Repository

Kooperationen

  • Eawag
  • ETH Zürich
  • Universität Zimbabwe