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Dank des Gasschnüfflers beobachten, wie Kluftsysteme entstehen

14. Mai 2020 | Stephanie Schnydrig

Um die Wasserdurchlässigkeit im Gestein für Anwendungen wie die Nutzung der Geothermie zu erhöhen, wird Fels künstlich aufgebrochen. Bisher fehlten Methoden, um diesen Vorgang in Echtzeit im Feld zu verfolgen. Dank einer neuen Technik lässt sich diese Lücke nun schliessen, wie eine  Studie der Eawag und ETH Zürich zeigt.

Das Felslabor am Grimselpass im Berner Oberland liegt 400 Meter tief im Berg. Dort haben Geophysiker und Geophysikerinnen der ETH Zürich eine Versuchsanordnung eingerichtet, mit der sie den Felsen erschüttern und so gezielt zum Brechen bringen. So wollen sie herausfinden, wie sich künftig etwa Geothermieprojekte in der Schweiz sicher realisieren liessen. Diesem Vorhaben schlossen sich nun zwei Wissenschaftler des Wasserforschungsinstituts Eawag an: Geochemiker Rolf Kipfer und Umweltphysiker Matthias Brennwald der Abteilung «Wasserressourcen und Trinkwasser».

Gemeinsam mit ihren Kollegen der ETH Zürich führten sie im Jahr 2017 sechs kontrollierte Bruchexperimente durch: Sie pressten ein flüssiges Gemisch aus Wasser und Chemikalien durch Bohrlöcher in bestehende Bruchzonen, um neue Wegsamkeiten im Grimselgestein zu erzeugen.

Transport im Fels in Echtzeit nachgewiesen

Mithilfe eines mobilen Gasanalysegeräts, dem Mini-Ruedi, gelang es den Eawag-Forschern nachzuweisen, dass dadurch Wasser-Gas-Gemische aus dem Umgebungsgestein freigesetzt werden. Diese bewegen sich entlang der neu erzeugten Brüche und gelangen in bereits existierende wasserführende Schichten. Die Ergebnisse erschienen kürzlich im Fachmagazin Scientific Reports. «Diese Beobachtung hat bisher noch niemand direkt im Feld gemacht, weil schlicht die Geräte fehlten», sagt Rolf Kipfer, Mitautor der Studie. Mini-Ruedi, der von Matthias Brennwald und ihm an der Eawag vor einigen Jahren entwickelt wurde und heute kommerziell über den Eawag Spin-off «Gasometrix» vertrieben wird, ermöglicht solche Untersuchungen nun.

Argon und Helium als Tracer

Der Clou: Der koffergrosse Mini-Ruedi misst selbständig, kontinuierlich und liefert alle paar Minuten neue Messwerte aus der wasserführenden Schicht. Eine dünne Membran, die ins Wasser eingetaucht wird, überträgt die Gase an eine Art «Rüssel». Dieser leitet die Gase zum kompakten Massenspektrometer Mini-Ruedi, das die Gasgemische analysiert. Bislang erforderten solche Analysen monatelange Laborarbeiten.

In der aktuellen Studie fokussierten sich die Forscher auf die Edelgase Argon und Helium. Diese Gase entstehen während des Zerfalls natürlicher Radioisotope (Uran, Thorium, Kalium) und sind im Gestein eingeschlossen. Sie werden erst freigesetzt, wenn Gestein aufgebrochen wird.

Während der Bruchexperimente reicherte sich das Wasser-Gas-Gemisch im Grimselgranit mit Helium und Argon an, wenn sich neue Brüche mit der wasserführenden Schicht verbunden hatten. «Unser geochemischer Ansatz schliesst für vielfältige Anwendungen eine Lücke, die mit herkömmlichen seismischen Methoden offenbleiben würde», sagt Kipfer.

So ist das mobile Gasanalysegerät momentan auch während eines Projekts im Felslabor Mont Terri im Einsatz. Dort untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Potential von CO2-Speicherung im Untergrund. Weil Mini-Ruedi auch Methan nachweist, lässt sich auch ungewollter Gasaustritt ins Grundwasser durch Fracking bei der Erdgasförderung in Echtzeit zu überwachen. «So wird es mit unserer neuen Technologie künftig möglich sein, Folgen des Frackings für das Grundwasser besser einzuschätzen», sagt Rolf Kipfer.
 

 

Matthias Brennwald stellt das Massenspektrometer Mini-Ruedi während eines Einsatzes auf dem Rotsee (LU) vor.

Titelbild: Zairon, Wikimedia Commons