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Die Seen werden weltweit wärmer

22. Dezember 2015 | Andri Bryner

Eine Studie über sechs Kontinente zeigt: Der Klimawandel führt weltweit zu einer Erwärmung in Seen. Das verändert Ökosysteme und die Fischerei und kann Trinkwasserversorgungen bedrohen.

Über 60 Forschende waren an der soeben in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters publizierten Studie beteiligt. Sie haben Daten von 235 Seen ausgewertet. Im Mittel werden die Seen alle zehn Jahre 0.34 Grad Celsius wärmer. Das ist schneller als die Temperaturzunahme in den Ozeanen und in der Atmosphäre. Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter warnen nun vor gravierenden Auswirkungen dieser Erwärmung, sollte sie ungebremst fortschreiten. Zum Beispiel könnten in den kommenden 10 Jahren 20 Prozent häufiger Algenblüten auftreten, welche in den Seen zu Sauerstoffmangel führen. Algenblüten mit toxischen Algen, so die Studie, dürften um 5 Prozent häufiger sein und die Seen könnten 4 Prozent mehr vom Klimagas Methan ausstossen. „Seen sind wichtig, weil die Bevölkerung an sehr vielen Orten von ihnen abhängig ist“, sagt Eawag Umweltwissenschaftler und Co-Autor der Studie, Martin Schmid. Abhängig von Seen ist nicht nur die Trinkwasserversorgung, sondern vielerorts auch Energieproduktion, Bewässerung und Tourismus. Zudem spielt vor allem in Entwicklungsländern die Fischerei eine wichtige Rolle.

Anpassungen an veränderte Temperaturen sind nicht beliebig möglich

Die Temperatur ist einer der wichtigsten, aber auch kritischsten Faktoren im Wasser. Sie steuert eine Reihe anderer Eigenschaften der komplexen Ökosysteme, die sich oft an einen ganz bestimmten Temperaturbereich angepasst haben. Wird dieser Bereich gesprengt, kann sich das Leben in einem See dramatisch verändern und sensible Arten können aussterben. „Unsere Resultate zeigen, dass grosse Veränderungen in den Seen nicht nur unvermeidbar sind, sondern bereits laufen“, sagt die Erstautorin der Studie, Catherine O'Reilly, Geologieprofessorin an der Illinois State University. O’Reilly hat unter anderem nachgewiesen, dass steigende Temperaturen in manchen Seen bereits zu sinkenden Erträgen in der Fischerei geführt haben.

Lange Messreihen und Satellitendaten

Die zum Teil von der NASA finanzierte Studie ist der grösste bisher durchgeführte Vergleich von Seetemperaturen. Sie nutzt bis über 100 Jahre zurückreichende Messreihen, aber auch jüngere Satellitendaten. Beide Datensätze haben Vor- und Nachteile: Satellitendaten geben eine gute Übersicht auch für Orte, wo wenige Messungen an Ort vorhanden sind. Aber sie erfassen nur die Seeoberfläche, während die Messreihen im See auch Temperaturveränderungen in tieferen Schichten aufzeigen.

Seen in nördlichen Breiten werden rascher warm

Der Trend zu wärmerem Wasser ist mit zahlreichen weiteren Grössen verknüpft: In höheren Breiten nimmt die Dauer der Eisbedeckung auf den Seen ab, und in vielen Gegenden nimmt die Verdunstung zu. Zahlreiche Seen erwärmen sich schneller als die mittleren Lufttemperaturen. Die grössten Raten, mit bis zu 0.72 °C / 10 Jahre beobachten die Forschenden in nördlichen Breiten. Warme tropische Seen zeigen kleinere Anstiege. Deren Folgen können aber gemäss der Studie trotzdem gravierend sein, etwa was die Fischfangerträge in den grossen afrikanischen Seen betrifft. „Auch die Auswirkungen von kleineren Temperaturanstiegen müssen sorgfältig geprüft werden“, sagt Martin Schmid, „eine geringere Erwärmung in einem tropischen See kann unter Umständen dramatischere Folgen haben als ein grösserer Anstieg in einem kälteren See.“

Mit Hilfe von Satellitendaten und direkten Messungen, wie hier von einer Boje auf dem Tahoe-See (Kalifornien/Nevada), gibt die Studie erstmals eine Übersicht über die weltweit ansteigenden Seetemperaturen.
Foto: Limnotech

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