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Rätselhafte Bakterienblüte in den Tiefen des Tanganjikasees

12. Februar 2021 | Bärbel Zierl

Im nördlichen Becken des Tanganjikasee wächst eine Gemeinschaft von Schwefelbakterien, die massgeblich in den Stickstoffkreislauf des Sees eingreift. Mit dem Klimawandel könnte sich die Bakterienblüte Richtung Süden ausdehnen, wie eine neue Studie zeigt. Das hätte einschneidende Folgen für die regionale Fischerei. 

Der Tanganjikasee in Afrika ist einer der grössten Süsswasserseen der Erde und eine wichtige Fischquelle für Millionen von Menschen in der Umgebung. Das Interesse ist daher gross, wie sich der See in Zukunft entwickeln wird, vor allem auch angesichts des erwarteten Klimawandels. Ein Forscherteam des Wasserforschungsinstituts Eawag hat in enger Zusammenarbeit mit Experten des tansanischen Fischereiforschungsinstituts (TAFIRI) den See deswegen untersucht. Gemeinsam sind sie einem rätselhaften Phänomen in der Tiefe auf der Spur: Unter der ruhigen Wasseroberfläche des Tanganjikasees wächst und blüht in aller Stille eine Gemeinschaft von Schwefelbakterien.

Schwefelbakterien sind phototrope Organismen, das heisst, sie können Lichtenergie für ihren Stoffwechsel direkt nutzen. Die Gemeinschaft im Tanganjikasees ist jedoch aussergewöhnlich, denn sie kann auch bei verschwindend geringen Lichtverhältnissen noch Photosynthese betreiben und in rund 150 Meter Tiefe im nördlichen Becken des Sees eine stabile Gemeinschaft bilden. Darüber hinaus gedeihen diese Bakterien in einem Teil der Wassersäule, in dem kein Sauerstoff vorhanden ist, der so genannten sauerstoffarmen Zone (siehe Abbildung).
 

Der Tanganjikasee in Ostafrika enthält eine tiefe Bakterienblüte in 150 m Tiefe, wie durch den Chlorophyll-Peak (unteres Feld) angezeigt wird. Die gepunktete Konturlinie zeigt 1 μM Sauerstoff an, was den Beginn der sauerstoffarmen Zone kennzeichnet. Foto: Cameron Callbeck, Chlorophyllprofil: aus dem Originalmanuskript übernommen. 

Wie beeinflusst die Tiefenblüte die Verfügbarkeit von Nährstoffen?

Die grosse Frage ist nun, ob und wie diese tiefe Bakterienblüte die biogeochemischen Kreisläufe, insbesondere den Stickstoffkreislauf beeinflusst. Denn Stickstoff ist ein grundlegender Baustein des Lebens und im Tanganjikasees eher knapp bemessen. Ein Mangel an Stickstoff aber kann einschneidende Folgen für alle Ebenen des Ökosystems haben – von den Algen bis zu den Fischen. Nun treibt genau der Bereich in der Wassersäule, in der die Blüte sich ausbreitet, einen aktiven mikrobiellen Stickstoffkreislauf und beträchtliche Stickstoffverluste an. Daher ist das Verständnis, welche Auswirkungen die Bakteriengemeinschaft hat und wie sich der Stickstoffverlust mit der Zeit verändert, eine wichtige Frage für die Zukunft des Tanganjikasees. 

Die Forschenden konnten zeigen, dass die Schwefelbakterien den Stickstoffverlust beträchtlich erhöhen, indem sie bioverfügbaren Stickstoff wie NOx und NH4+ in Stickstoff (N2)-Gas umwandeln. Durch diesen Prozess werden zudem weitere Nährstoffe aus der Biosphäre entfernt. Die Studie, die kürzlich in Nature Communications veröffentlicht wurde, hat nun die Auswirkungen der Bakterienblüten entschlüsselt und kann damit das Verständnis darüber verbessern, wie der Stickstoffverlust in ähnlichen aquatischen Ökosystemen reguliert wird. 

Klimawandel könnte Nährstoffmangel verstärken

Der Klimawandel greift nun zusätzlich in dieses Ökosystem ein. «Wenn die Windgeschwindigkeiten wie vorhergesagt abnehmen und die Wassertemperaturen steigen, dann würden wir erwarten, dass sich die Blüte vom Norden her in Richtung Süden auf die andere Seite des Sees ausdehnt», sagen die Hauptautoren der Studie Cameron Callbeck und Benedikt Ehrenfels von der Abteilung Oberflächengewässer der Eawag. «Eine solche Ausdehnung würde letztlich den Stickstoffverlust beschleunigen, was sich negativ auf die Fischfänge auswirken könnte.»

Titelbild: Cameron Callbeck

Originalartikel

Callbeck, C. M.; Ehrenfels, B.; Baumann, K. B. L.; Wehrli, B.; Schubert, C. J. (2021) Anoxic chlorophyll maximum enhances local organic matter remineralization and nitrogen loss in Lake Tanganyika, Nature Communications, 12, 830 (11 pp.), doi:10.1038/s41467-021-21115-5, Institutional Repository