Kreisläufe nachhaltig schliessen


Damit wir auch in Zukunft auf einem gesunden Planeten leben können, der uns Wohlstand und Wohlbefinden ermöglicht, führt kein Weg daran vorbei, mit unseren Ressourcen schonender umzugehen und Material- und Energiekreisläufe zu schliessen.

Dies gilt auch für die Siedlungswasserwirtschaft. Zum einen enthält Abwasser wertvolle Ressourcen: Wasser, Nährstoffe und Energie. Die Nachfrage nach diesen Ressourcen ist in den letzten Jahrzehnten immer mehr gewachsen – in boomenden urbanen Regionen, in der Landwirtschaft, in Haushalten, Gewerbe und Industrie. Es braucht weltweit neue Lösungen, um diesen steigenden Bedarf durch Wiederverwendung zu decken. Zum anderen enthält das Abwasser, das in die Umwelt entlassen wird, vielerorts noch übermässig Schad- und Nährstoffe. Die Kapazität der Umwelt, diese aufzunehmen, ist begrenzt. Weltweit sehen wir eine noch nie dagewesene Gewässerverschmutzung, auch wenn die Gewässerqualität regional, etwa in der Schweiz, durch den Bau grossflächiger Abwasserinfrastrukturen erheblich verbessert werden konnte. Um die Probleme der Gewässerverschmutzung und des Ressourcenverlustes gleichzeitig und langfristig zu lösen, müssen neue Ansätze diskutiert werden, die eine tiefgreifende Systemänderung bedingen. Der politische Wille zur Veränderung ist zunehmend da. Das zeigt sich in weltweiten Trends wie der Forderung nach einer Stärkung der Kreislaufwirtschaft, der Wende hin zu erneuerbaren Energien und den Zielen für die nachhaltige Entwicklung. Die Eawag ist in diesem Prozess eine wichtige Akteurin und stellt neue Lösungen bereit, um Wasser, Nähr- und Wertstoffe sowie Energie aus Abwasser und Abfall zurückzugewinnen.

Stellschrauben neu justieren

Regionale Wasserkreisläufe können wir in Industrienationen wie der Schweiz mittels zentralisierter Systeme zur Abwasserbehandlung schliessen. Sprich: Das von den Menschen genutzte Wasser gelangt über die Kanalisation in Kläranlagen, wird dort gereinigt und in die Gewässer eingeleitet, von wo es später neu entnommen und wieder als Trinkwasser aufbereitet wird. Forschende an der Eawag arbeiten erfolgreich daran, dieses System laufend an neue Herausforderungen anzupassen. Derzeit steht die Frage im Fokus, wie gross das Potenzial in der Schweiz wäre, Wasser aus Kläranlagen direkt lokal wiederzuverwenden, statt es nach der Reinigung in die Gewässer einzuleiten. Gereinigtes Abwasser weist zwar keine Trinkwasserqualität auf, könnte aber als industrielles Brauchwasser dienen oder zur Bewässerung in der Landwirtschaft. In Trockenperioden, die infolge der Klimakrise immer häufiger werden, könnte dies mithelfen, die Trinkwasserreserven zu schonen. Eine andere Forschungsgruppe beschäftigt sich mit sogenannten blaugrünen Infrastrukturen. Die naturnahe Gestaltung von urbanen Räumen erlaubt, Regenwasser mittels Versickerungsflächen dort zu halten, wo es fällt. Dies verändert den lokalen Wasserhaushalt, macht Wasser zu einem integralen Bestandteil der Stadt und mildert die Effekte von Trockenheit und Hitze.

Zudem plädiert die Eawag dafür, Stickstoff und Phosphor im Abwasser noch stärker als Ressourcen für die Landwirtschaft zu sehen und erforscht Technologien, um diese in noch grösserem Massstab aus Abwasser und Fäkalien wiederzugewinnen. Auch Verfahren, um organische Verbindungen im Abwasser mittels Mikroorganismen zu Bioplastik zu verarbeiten, werden an der Eawag erforscht.

Komplett neu denken

Ausgehend von ihrer jahrzehntelangen Erfahrung im Abwassermanagement geht die Eawag noch einen Schritt weiter. Forschende arbeiten an transformativen Methoden, die in kleinräumigen Kreisläufen Wasser, Nährstoffe und Energie direkt vor Ort zurückgewinnen können. Ursprünglich waren diese Lösungen für Regionen im Globalen Süden konzipiert, um Menschen den dringend notwendigen Zugang zu genügend sauberem Wasser und sicheren Sanitärlösungen zu ermöglichen, ohne dass komplexe Infrastrukturen wie Kanalisation, Wasserversorgung und Abwasserreinigung gebaut werden müssen.

Erforscht wird eine ganze Palette von Innovationen, die alle eines gemeinsam haben: Die Stoffströme werden an der Quelle getrennt und gezielt aufbereitet. Wenig verschmutztes Wasser aus Haushalten kann nach der Aufbereitung für die Toilettenspülung oder zum Wäschewaschen wiederverwendet werden. Urin wird getrennt vom Spülwasser gesammelt und die darin enthaltenen Nährstoffe direkt vor Ort zu Dünger verarbeitet. Aus Fäkalien lassen sich Heiz-Pellets, Biogas oder Kompost gewinnen. Und auch Regenwasser kann gesammelt, gelagert und zum Beispiel für die Toilettenspülung eingesetzt werden. All diese Massnahmen helfen, Kreisläufe zu schliessen und drängende Nachhaltigkeitsprobleme in Städten rund um den Globus zu lösen.

Die entwickelten Lösungen sollen schnell und flexibel an die Gegebenheiten und Bedürfnisse vor Ort anpassbar sein – sowohl in Grossstädten wie Bangalore oder San Francisco, wo durch Klimawandel und Bevölkerungswachstum das Wasser knapp wird, als auch an abgelegenen Standorten, zum Beispiel in einer Schweizer Alphütte. Derzeit arbeiten Eawag-Forschende mit der Europäischen Weltraumbehörde sogar an Möglichkeiten, um Wasser- und Nährstoffkreisläufe an Bord von Raumschiffen zu schliessen. Die Forschenden wollen Entscheidungstragenden in Politik, Industrie und Zivilgesellschaft aufzeigen, dass solche Lösungen machbar sind und wie dafür ein Markt geschaffen werden kann.

Noch in einem weiteren Punkt ist die Expertise der Eawag gefordert: In einer komplexen Welt braucht es unterschiedliche Systeme für unterschiedliche Regionen und Anwendungen. Wir benötigen Kombinationen aus den verschiedenen Recycling-Technologien und Forschende aus den Natur-, Ingenieurs- und Sozialwissenschaften, die bereit sind, diese gemeinsam zu entwickeln, zu koordinieren und ihre gesellschaftliche Verankerung zu begleiten. Verankert im einmaligen Ökosystem der Eawag, mit einer globalen Vision.