Häufig gestellte Fragen zu Cyanobakterien
Warum hört man regelmässig von Hundesterben?
Tiere, vor allem Hunde, werden viel wahrscheinlicher vergiftet als Menschen, da sie am Ufer grössere Mengen Wasser trinken (wo die Konzentration von Cyanobakterien im Allgemeinen höher ist) und nach dem Schwimmen ihr Fell lecken, in dem sich Cyanobakterien angesammelt haben können. Hunde spielen und baden bereits bei kälteren Temperaturen im Wasser, wenn der Mensch meist noch nicht baden geht. Die Kombination aus der höheren Wasseraufnahme und ihrem relativ geringen Körpergewicht stellt ein besonderes Risiko dar. Oft ist leider das erste Anzeichen, dass eine Blüte von Cyanobakterien vorhanden ist, ein kranker Hund, der im ruhigen oder stehenden Wasser geschwommen ist, oder eine kranke Kuh, die Wasser aus einem Teich mit einer Blüte getrunken hat
An wen kann ich mich wenden, wenn ich konkrete Fragen zur Lage in meiner Region oder zu einem möglichen Vergiftungsfall habe?
Kontaktieren Sie das kantonale Labor oder das Amt für Gewässerschutz in Ihrem Wohnkanton. Zu Fragen in Bezug auf «Wasser in Kontakt mit dem menschlichen Körper» siehe auch Website des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV).
Was begünstigt eine massenhafte Vermehrung (Blüte) von Cyanobakterien?
Für eine Massenvermehrung (Blüte) von Cyanobakterien in der freien Wassersäule sind ruhiges, warmes Wasser, starke Sonneneinstrahlung und ausreichend Nährstoffe (Stickstoff und Phosphor) erforderlich. Wenn die Bedingungen stimmen, können sich Blüten innerhalb von Tagen oder Wochen bilden.
Einige Cyanobakterien besitzen Gasbläschen in ihren Zellen, mit denen sie ihren Auftrieb wie U-Boote regulieren können. Im Sommer können sie so durch Absinken in der stabilen Wassersäule auf Nährstoffe zugreifen und wieder in die oberste Wasserschicht aufsteigen, um Licht für ihre Energieproduktion zu nutzen. Ihre Toleranz gegenüber hohen Temperaturen und viel oder wenig Licht, kombiniert mit der einzigartigen Fähigkeit einiger Arten, atmosphärischen Stickstoff zu nutzen, macht sie dort fast konkurrenzlos. Grosse Kolonien und die Produktion von Giftstoffen können eine Massenvermehrung zusätzlich begünstigen, weil die Cyanobakterien so dem pflanzenfressenden Zooplankton entgehen. Wichtig zu wissen: Auch andere Arten (z.B. die ungiftige Kieselalge Fragilaria sp.) können sich unter bestimmten Bedingungen massenhaft vermehren und auf der Oberfläche des Sees Schaum und Matten bilden.
Obwohl die Bedingungen für eine Blüte im Spätsommer günstiger sind, führen die Wechselwirkungen zwischen den Umweltbedingungen zu grossen saisonalen und jährlichen Schwankungen der Cyanobakterienhäufigkeit. Einige giftige Stämme können früh in der Sommersaison auftreten, während andere nur im Spätsommer und Frühherbst zu finden sind.
Muss in Zukunft mit mehr Cyanobakterien-Blüten gerechnet werden?
Zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass die globale Erwärmung, Eutrophierung (Überdüngung), steigende CO2-Werte, und Veränderungen in der Hydrologie von Seen die Häufigkeit, Intensität und Dauer von Cyanobakterienblüten in vielen aquatischen Ökosystemen weltweit erhöhen können. Die Mechanismen, die eine Cyanobakterienblüte antreiben, sind jedoch nach wie vor eine Forschungsfrage, auf die es keine definitive Antwort gibt. Es gibt zum Beispiel drei Hypothesen, warum sporadische Blüten auch in Seen auftreten, die nicht nährstoffreich sind:
1) ein zufälliges Ereignis führt zu einer Nährstoffspitze (Zuflüsse vom Land, turbulente Vermischung);
2) Zooplankton frisst Arten selektiv, nicht essbare Cyanobakterien häufen sich;
3) Wind treibt die aufschwimmende Biomasse an bestimmte Stellen und konzentriert sie in Ufernähe. Die wichtigsten Faktoren sind wahrscheinlich von See zu See unterschiedlich und zumeist dürfte ein Zusammenspiel aller drei Faktoren den Ausschlag für eine Blüte geben.
Steigende Temperaturen können Cyanobakterien direkt und indirekt fördern: Wärmeres Wasser kann die Wachstumsraten von Cyanobakterien (und damit die Gesamtbiomasse) erhöhen. Eine Erhöhung der Oberflächenwassertemperatur kann sich auch auf die Cyanobakterienblüten auswirken, indem sie die Dichte und physikalische Struktur des Seewassers verändert. Beispielsweise werden Seen immer schlechter durchmischt, weil wärmeres, leichteres Oberflächenwasser in milden Wintern nicht in die Tiefe sinkt. Cyanobakterien profitieren also von den länger anhaltenden sommerlichen Bedingungen, die ihr Wachstum begünstigen, und von der fehlenden Tiefenwasserdurchmischung, die verhindert, dass sie absinken und am Seeboden zersetzt werden.
Eine Eawag-Studie in der Schweiz ergab, dass Cyanobakterien in den letzten 100 Jahren in den Seen rund um die Alpen immer häufiger vorkommen. Die Studie zeigte auch, dass sich die Zusammensetzung der Cyanobakterien-Gemeinschaft in allen Seen, unabhängig von der geografischen Lage, immer ähnlicher geworden ist. Die Hauptnutzniesser der anhaltenden globalen Erwärmung und des zeitweiligen Nährstoffüberschusses des späten 20. Jahrhunderts sind die Arten, die besser an ruhige Gewässer angepasst sind, und einige von ihnen sind potenziell giftig. Infolgedessen besteht heute in fast allen Seen und nicht nur in einigen wenigen das Risiko sporadischer Blüten. Eine Studie aus dem Jahr 2017 prognostiziert, dass in den USA die durchschnittliche Anzahl der Tage mit schädlichen Cyanobakterienblüten pro Gewässer von etwa 7 Tagen pro Jahr auf 18-39 Tage im Jahr 2090 ansteigen wird.
Welches sind die Auswirkungen für das Ökosystem?
Cyanobakterienblüten sind normalerweise für pflanzenfressendes Plankton nicht essbar, weil die Agglomerate von Zellen zu gross sind und auch sonst keine attraktive Nährstoffquelle darstellt. Sie tragen deshalb nicht wesentlich zur Produktivität der gesamten Nahrungskette bei (d.h. der Fischbestände). Nach dem Absterben einer Cyanobakterienblüte sinken grosse Mengen organischer Substanz auf den Seeboden, wo sie von Bakterien zersetzt werden. Dies führt zu einem Sauerstoffdefizit in tieferen Wasserschichten, was zwei negative Folgen hat: Es werden vermehrt Nährstoffe aus den Sedimenten freigesetzt (was die nächste Cyanobakterienblüte begünstigt) und Fische können im Tiefenwasser weniger gut leben oder laichen. Grosse Cyanobakterienblüten, vor allem von stickstofffixierenden Bakterien, verschärfen somit die Überdüngung oder verlangsamen die Erholung der Seen.
Welche Giftstoffe stammen von Blaualgen?
Bei den Giftstoffen und anderen bioaktiven Verbindungen, die von Cyanobakterien produziert werden, handelt es sich um eine vielfältige Gruppe von chemischen Substanzen, die nach ihren spezifischen toxischen Wirkungen kategorisiert werden, unter anderem:
- Neurotoxine wirken auf das Nervensystem.
- Hepatotoxine wirken auf die Leber.
- Tumorpromotoren sind Chemikalien, die bei chronischer Exposition das Tumorwachstum steigern können.
- Lipopolysaccharide sind Chemikalien, die den Magen-Darm-Trakt und das Immunsystem beeinflussen können.
- Enzymhemmer sind Chemikalien, die verhindern, dass Enzyme ihrer Funktion nachgehen können, und so z.B. den Stoffwechsel oder andere Anläufe stören.
Cyanobakterien produzieren meist nicht nur einen Giftstoff, sondern ein ganzes Sortiment von bioaktiven Substanzen, die dann zusammen auf das Ökosystem einwirken.
Wer kontrolliert das Badewasser?
Die Kantone sind verantwortlich für die Überwachung der Wasserqualität der Seen und die Information der Öffentlichkeit, einschliesslich des Erlasses von Badeverboten, wenn Giftstoffe gefunden werden. Bei Badegewässern sind dies meist die kantonalen Laboratorien der Lebensmittelinspektion und des Konsumentenschutzes oder in einigen Kantonen die Laboratorien der Gewässerschutzämter. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) sammelt die kantonalen Daten und stellt sie für nationale Berichte zur Verfügung. Gemäss der Gewässerschutzverordnung des Bundes muss die Wasserqualität der Oberflächengewässer so beschaffen sein, «dass die hygienischen Voraussetzungen für das Baden dort gewährleistet sind, wo dieses von der Behörde ausdrücklich gestattet ist oder wo üblicherweise eine grosse Anzahl von Personen badet und die Behörde nicht davon abrät.» (GSchV, Anhang 2, Art. 11, 1e).
Können Blaualgen auch ins Trinkwasser gelangen?
Die Lage der Entnahmestellen in tieferen Wasserschichten soll verhindern, dass die sommerlichen Algenteppiche von der Oberfläche in das Trinkwasser gelangen, wenn Seewasser als Trinkwasser verwendet wird. Bei der Durchmischung des Sees (meist im Winter) können aber auch Cyanobakterien tiefere Wassertiefen erreichen und mit dem Rohwasser in die Aufbereitungsanlagen gelangen. Die Wasserversorgungsunternehmen überwachen daher das Rohwasser genau, um zu verhindern, dass Cyanotoxine in das gelieferte Trinkwasser gelangen.
Ab welchen Mengen werden Blaualgen gefährlich?
Mehrere Länder haben Richtlinien für Cyanobakterien im Wasser festgelegt. Es ist wichtig zu beachten, dass für Trinkwasser und Freizeitgewässer unterschiedliche Grenzwerte festgelegt wurden. Die meisten Länder verwenden die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO, so auch die Schweiz. In diesen Richtlinien liegt der Schwerpunkt auf Cyanobakterien-Zellzahlen und Cyanobakterien-Toxin-Konzentrationen.
Seit 2021 sind insgesamt vier Substanzen, die ausreichend untersucht sind, in die WHO-Richtlinien als Giftstoffe aufgeführt: Microcystin-LR, hepatotoxisch; Saxitoxin und Anatoxin-a, beide neurotoxisch; sowie das zytotoxische Cylindrospermopsin.
Das lange Zeit am meisten untersuchte Toxin war das Microcystin-LR, aus den Gruppen der Microcystine (das z.B. von Microcystis aeruginosa und dem Burgunder Blutbakterium Planktothrix rubescens produziert wird). Die Konzentration von Microcystinen wird daher in vielen Ländern zur Beurteilung der Badegewässerqualität herangezogen. Microcystine gehören zu den Hepatotoxinen, aber es wird auch vermutet, dass sie neurotoxisch wirken können.
Die WHO klassifiziert in ihren Richtlinien drei Risikokategorien basierend auf der Zellzahl pro Wasservolumen und der Sichttiefe:
Überwachungsstufe | Gesundheitsrisiko | Cyanobakterien-zellen pro mL | Sichttiefe | Mögliche Symptome |
Badegewässer | kaum | < 20 000 | >2 (klar) |
|
Erhöhte Aufmerksamkeit | gering | 20 000 | 1-2 (trüb) | Hautreizung, Magen-Darm-Beschwerden |
Erste Warnstufe | moderat | 100 000 | 0.5-1 (Schlieren an der Oberfläche) | + längere Erkrankung |
Zweite Warnstufe | erhöht | 10-100 Millionen | <0.5 (Algenteppich, grüne Suspension) | + akute Vergiftung |
Die WHO schlägt zusätzlich zu den Zellzahlen auch Grenzwerte für Toxine in Trink- und Badegewässern vor.

Cyanobakterien produzieren jedoch viele andere bioaktive Substanzen. Bis zum Jahr 2024, wurden mehr als 3000 Substanzen identifiziert, die spezifisch für Cyanobakterien sind. Darunter etwa 300 verschiedene Microcystine, die dem Microcystin-LR aus den WHO-Richtlinien in ihrer Toxizität sehr ähnlich sind, sich aber leicht in der chemischen Struktur unterscheiden. Die Forschung zu den meisten dieser Verbindungen und über die Microcystine hinaus steht erst am Anfang. Es gibt noch keine Richtlinien, aber klare Hinweise darauf, dass einige dieser anderen Substanzen biologische Prozesse stören und damit auch Risiken für Mensch und Tier bergen.
Warum ist es so schwer rechtzeitig vor Blaualgen zu warnen?
Wenn es einen konkreten Verdachtsfall gibt, kann unter dem Mikroskop bereits erkannt werden, ob Cyanobakterien vorliegen. Ob diese jedoch auch Giftstoffe produzieren, muss durch zusätzliche Analysen im Labor abgeklärt werden. Bei Cyanobakterien, die sehr bekannt sind und die Giftstoffe bilden, die in den Richtlinien der WHO aufgenommen sind (Microcystin-LR, Anatoxin-a, Saxitoxin, Cylindrospermopsin), sind diese Messungen zeitnah möglich. Bei unbekannteren Cyanobakterien, die unerforschte Giftstoffe produzieren, kann dies eine grössere Herausforderung darstellen und mehr Zeit in Anspruch nehmen.
Ohne konkreten Verdachtsfall bräuchte es ein zeitliches und räumliches sehr enges Netzwerk an Beobachtungsstellen, um rechtzeitig festzustellen, wo eine Blüte auftreten kann. Ein solches Überwachungsnetzt existiert in der Schweiz nicht und auf Grund der notwendigen Ressourcen, ist auch nicht anzunehmen, dass es ein solches bald geben wird. Wenige Seen kennen die lokalen Behörden so gut, dass sie die frühen Anzeichen von Cyaobakterien schnell zu deuten wissen. In den meisten Fällen ist es nicht möglich das Auftreten von gefährlichen Blüten vorherzusehen. Die Eawag erforscht und entwickelt daher automatisierte Messungen und intelligente Dateninterpretationsmodelle. Sie können vielleicht einmal als Frühwarnsystem dienen. Für die Cyanobakterien die im freien Wasser wachsen (pelagische Blüten) ist dies eine vielversprechende Möglichkeit. Für Cyanobakterien, die am Grund wachsen, sich sporadisch lösen und an die Wasseroberfläche aufschwimmen (benthische Blüten), ist dies wesentlich schwieriger.
Spannende Fakten
- Man geht davon aus, dass die Cyanobakterien die ersten Organismen waren, die über Photosynthese Sauerstoff in die Erdatmosphäre abgegeben haben. Damit haben sie die Entwicklung des Lebens, wie wir es kennen, ausgelöst.
- Cyanobakterien kommen überall auf der Welt vor, sogar in extremen Umgebungen wie hochalpinen Seen, Wüsten, heissen Quellen und den Polargebieten.
- Flechten, die auf Felsen und an Bäumen wachsen, bestehen aus Pilzen und Cyanobakterien, die in einer für beide vorteilhaften Beziehung (Symbiose) leben.
- Spirulina-Tabletten sind ein Nahrungsergänzungsmittel, das aus zwei Arten von Cyanobakterien hergestellt wird, die keine toxischen Microcystine produzieren.