Die Artenvielfalt im Untergrund schützen

Niphargus auerbachi, einer der etwa 40 verschiedenen Flohkrebsarten, die im Schweizer Grundwasser leben. (Foto: Roman Alther, Eawag)

Im Grundwasser gibt es eine bisher ungeahnte Vielfalt an wirbellosen Organismen. Diese ernähren sich unter anderem von Mikroben und tragen dazu bei, dass man das Grundwasser als Trinkwasser nutzen kann. In Gebieten mit intensiver Landwirtschaft ist diese Biodiversität vermindert. Forschende plädieren für eine systematische Überwachung und Rote Listen.

Bis vor wenigen Jahren wusste man nicht, welch einzigartige Vielfalt an hochspezialisierten Organismen im Grundwasser existiert. Einen ersten Einblick in die verborgene Welt im Untergrund verschafften sich Eawag-Forschende, indem sie schweizweit im Rahmen eines Citizen-Science-Projekts mit rund 600 Wasserversorgungen zusammenarbeiteten. Diese sammelten in ihren Brunnenstuben Flohkrebse, die im Grundwasser zu den grössten wirbellosen Tieren gehören, und schickten sie an die Eawag. «Wir haben etwa 40 verschiedene Flohkrebsarten gefunden; rund ein Dutzend davon kommen nur in der Schweiz vor und müssen wissenschaftlich erst noch beschrieben werden», sagt Mara Knüsel, Gewässerökologin in der Eawag-Forschungsgruppe «Räumliche Dynamiken», die von Professor Florian Altermatt geleitet wird und Biodiversität in aquatischen Ökosystemen untersucht.

Parallel zu den Flohkrebsstudien entwickelte Altermatts Team in den letzten Jahren eine Methode, mit der sich aus Wasserproben sogenannte Umwelt-DNA extrahieren lässt. Das sind Erbgutspuren, die Organismen im Wasser hinterlassen, etwa durch ihre Ausscheidungen. Die Analysen ergaben, dass im Grundwasser verschiedenste Organismen vorkommen. Diese tragen zur Reinigung des Wassers bei. «Dies ist eine wichtige Ökosystemleistung, die von den Organismen im Grundwasser sichergestellt wird», sagt Knüsel. Bei ihren Untersuchungen konnten die Forschenden zudem Einflüsse der Landnutzung feststellen: Dort, wo intensiver Ackerbau betrieben wird, fanden sie deutlich weniger Flohkrebse und eine stark reduzierte mikrobielle Vielfalt im Grundwasser.

Die Eiszeit überdauert

Die Forschenden entdeckten zudem Hinweise darauf, dass ein Teil der verschiedenen Flohkrebsarten sogar die letzte Eiszeit in der Schweiz vor 20'000 Jahren im stets flüssigen Grundwasser in Karstgebieten überdauerte, während im Permafrost an der Oberfläche die meisten Lebewesen verschwanden und erst danach wieder einwanderten. «Der Lebensraum im Grundwasser zählt zu denjenigen Ökosystemen, die in den letzten paar hunderttausend Jahren die konstantesten Umweltbedingungen hatten», sagt Altermatt: «Deshalb ist dieses System auch sehr anfällig, wenn wir es verändern.»

Gemäss Gesetz sollten auch die unterirdischen Gewässer als natürliche Lebensräume für einheimische Organismen erhalten bleiben. «Unsere Forschung ist ein wichtiger Schritt, um zu dokumentieren, was vorhanden ist», sagt Knüsel. Als Nächstes möchten die Forschenden Monitoring-Methoden auf der Basis von Umwelt-DNA-Analysen erarbeiten. Damit könnte man die Grundwasserökosysteme systematisch überwachen. Notwendig wären auch Rote Listen für wichtige Grundwasserorganismen, wie beispielsweise Flohkrebse.

Erstellt von Barbara Vonarburg für das Infotag-Magazin 2025

Kontakt

Dr. Roman Alther Senior scientist (er/ihm) Tel. +41 58 765 5638 E-Mail senden
Claudia Carle Wissenschaftsredaktorin Tel. +41 58 765 5946 E-Mail senden

Video Flohkrebse im Grundwasser