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Faszination Untergrund – die Grundwasserfauna erforschen

27. Januar 2023 | Annette Ryser

Im Schweizer Grundwasser lebt eine Vielzahl noch unbekannter Lebewesen. Ein Eawag-Forschungsprojekt bringt Licht ins Dunkel und zeigt eine einzigartige Biodiversität auf.

Die Schweiz ist reich an Grundwasser. Es befindet sich fast überall in Hohlräumen unter der Erde und ist das grösste Trinkwasser-Reservoir des Landes. Anders als Trinkwasser, das bei uns aus dem Hahn kommt, ist Grundwasser auch ein Lebensraum und als solcher bewohnt – von kleinsten Mikroorganismen bis hin zu grösseren Tieren wie Flohkrebsen finden sich darin verschiedene Lebewesen.

«Dass das Grundwasser belebt ist, ist grundsätzlich ein gutes Zeichen», erklärt Florian Altermatt, «diese Organismen benötigen eine gute Wasserqualität. Bisher ist aber noch wenig bekannt, ab welchen Schadstoffwerten sie beeinträchtigt werden.» Altermatt ist Forschungsgruppenleiter am Wasserforschungsinstitut Eawag und Professor an der Universität Zürich. Zusammen mit seinem Team hat er sich zum Ziel gesetzt, das Ökosystem Grundwasser genauer zu erforschen. Denn bisher weiss die Wissenschaft erst wenig darüber, wo welche Lebewesen anzutreffen sind. Im Projekt «Ampiwell», das im Auftrag des BAFU im Rahmen der Nationalen Grundwasserbeobachtung Naqua durchgeführt wird, erforscht das Team um Altermatt deshalb erstmals schweizweit die Biodiversität im Grundwasser.
 

Flohkrebse (Amphipoden) sind häufige Bewohner des Grundwassers. Da sie in einem dunklen Lebensraum leben, besitzen sie keine Pigmente. (Foto: Eawag)

Grosse Unterstützung durch Wasserversorgungen

Mara Knüsel, die im Rahmen ihrer Doktorarbeit im Projekt mitarbeitet, erklärt den Projektansatz: «Das Grundwasser ist zwar überall unter unseren Füssen, aber für uns nur sehr schwer erreichbar. Den besten Zugang haben wir in den unzähligen Brunnenstuben der Schweiz.» Brunnenstuben sind jedoch für die Öffentlichkeit nicht zugänglich und werden von den Wasserversorgungen unterhalten. Um möglichst viele Proben von verschiedenen Orten sammeln zu können, arbeiten die Forschenden daher im Rahmen eines Citizen-Science-Projekts mit den Wasserversorgungen (Brunnenmeisterinnen, Wasserwarte, private Quellenbetreibende usw.) zusammen. Von den 700 angefragten Wasserversorgungen hat sich fast die Hälfte bereit erklärt, mitzumachen. «Sie sind mit grossen Engagement und Freude dabei und auch an den Ergebnissen interessiert», erklärt Knüsel. «Dass wir die Brunnstuben auf diese Weise beproben können ist für uns ein grosser Glücksfall.»

Im Video über das Projekt (siehe unten), sieht man, wie ein Brunnenmeister ein Filternetz direkt am Quelleinlauf anbringt, in dem während einer Woche einige Tiere – vor allem Flohkrebse – gesammelt werden. Anschliessend werden die Tiere in einem Röhrchen mit Ethanol konserviert und per Post an die Eawag geschickt. Mit Hilfe genetischer Analysen können die gefundenen Flohkrebse dann einer bekannten – oder neuen – Art zugeteilt werden. Knüsel informiert die Wasserversorgungen danach, welche Tiere ihnen ins Netz gegangen sind.
 

Mit Filternetzen, die direkt am Quelleinlauf angebracht werden, werden während einer Woche einige Tiere – vor allem Flohkrebse – gesammelt. Anschliessend werden die Tiere mit Ethanol konserviert und per Post an die Eawag geschickt. Mit Hilfe genetischer Analysen können die gefundenen Flohkrebse dann einer bekannten – oder neuen – Art zugeteilt werden. (Foto: Eawag)

Einzigartige Vielfalt

In einem Pilotprojekt im Jahr 2019 konnten so schon mehrere Flohkrebs-Arten zum ersten Mal in der Schweiz nachgewiesen werden und es wurden sogar für die Wissenschaft neue Arten entdeckt. «Bei den neu entdeckten Arten handelt es sich um so genannte endemische Arten,» erklärt Florian Altermatt. «Das bedeutet, dass sie in der Schweiz – und teilweise sogar sehr lokal – entstanden sind und nur dort vorkommen. Die Schweiz trägt eine grosse Verantwortung, um diese einzigartige biologische Vielfalt zu schützen.» Er geht davon aus, dass im Laufe des Projekts noch weitere Arten dazukommen werden.

Die Forschungsgruppe um Altermatt hat auch schon einen Bestimmungsschlüssel für Flohkrebse erarbeitet, um das Bestimmen der Tiere für Gewässerfachleute zu ermöglichen. Zudem wird im Projekt auch die sogenannte Umwelt-DNA (eDNA) genutzt, um den Artenreichtum und die Verbreitung der Arten in den verschiedenen Regionen und Grundwasserleitern der Schweiz zu bestimmen.
 


Titelbild: Flohkrebse aus dem Grundwasser werden gesammelt und danach genetisch bestimmt. (Foto: Eawag)
 

Originalpublikation

Studer, A.; Knüsel, M.; Alther, R.; Hürlemann, S.; Altermatt, F. (2022) Erfassung der Grundwasserflohkrebse. Studie zur Artenvielfalt und Verbreitung im Einzugsgebiet der Töss, Aqua & Gas, 102(4), 14-19, Institutional Repository

Funding / Cooperations

  • Eawag
  • Universität Zürich
  • Bundesamt für Umwelt (BAFU)
  • Schweizerischer Verein des Gas- und Wasserfaches (SVGW)