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Mobiles Massenspektrometer misst Wasserqualität in Echtzeit

10. Juni 2020 | Cornelia Eisenach

Verschmutzungen in Gewässern lassen sich dank eines neuen Messgeräts automatisch und über Wochen hinweg messen – direkt im Feld statt im Labor. Das dazu nötige Massenspektrometer steht in einem Anhänger. Und Resultate können auf dem Mobiltelefon in Echtzeit verfolgt werden.

Regen lässt Pflanzen wachsen, aber er wäscht auch Pflanzenschutzmittel von den Feldern. So gelangen diese Substanzen in Flüsse und Bäche. Mithilfe von regelmässigen Wasserproben lassen sich die Konzentrationen dieser Substanzen in Gewässern überwachen. Bisher jedoch bestimmte man nur Mittelwerte oder entnahm Stichproben. Spitzenkonzentrationen, wie sie bei Regenfällen vorkommen, werden so nicht oder nur selten erfasst.

Um dieses Problem zu lösen, haben Christoph Ort von der Abteilung Siedlungswasserwirtschaft und Heinz Singer von der Abteilung Umweltchemie 2017 ein Projekt gestartet: Sie bestückten einen Autoanhänger mit einem hoch-empfindlichen Messgerät – einem Massenspektrometer (MS). Damit wollen sie Substanzen automatisch, kontinuierlich und direkt im Gewässer oder der Kanalisation messen, statt nach der Probennahme im Labor. Daher rührt auch der Name des Projekts «MS2field», also etwa «Massenspektrometer ins Feld».

Mit Mobiltelefon überwachen

Dank dem MS2field müssen die Wasserproben nicht mehr alle einzeln abgefüllt ins Labor gebracht und dort gelagert werden. Stattdessen wird das zu untersuchende Wasser ständig mithilfe eines Schlauchs durch den Anhänger gepumpt. Dort werden alle paar Minuten wenige Milliliter Wasser automatisch aufbereitet und für die Analyse an das Massenspektrometer weitergeleitet. Letzteres identifiziert ein breites Spektrum von Schadstoffen in der Wasserprobe. «So können wir hoch-dynamische Prozesse live verfolgen, sogar auf dem Mobiltelefon», schwärmt der Umweltingenieur Christoph Ort.

Bei einem ersten Testlauf im Februar 2019 untersuchte das Team um Ort und Singer Abwasser der Kläranlage Fehraltorf im Kanton Zürich. Dabei analysierten sie während vier Wochen über zweitausend Proben des Rohabwassers und deckten Schwankungen und Tagesverläufe auf, die man so bisher nicht kannte. «Mit konventioneller Probenahme und -aufbereitung hätte das mehrere Monate gedauert», sagt Ort.
 

Das MS2field im Einsatz in Saint-Ursanne (JU).
(Foto: Ann-Kathrin McCall, Eawag)

Bei diesen Messungen entdeckten die Forschenden etwa Stoffe, die unter der Woche tagsüber vorkommen, aber am Wochenende nicht auftauchen. Das weist auf industrielle Abwassereinleitungen hin. Die zeitlichen Muster die MS2field generiert, können auch helfen, um andere Quellen von Verschmutzungen zu identifizieren. Oder aber um Spitzenkonzentrationen von Verunreinigungen in Abwässern nicht zu verpassen. «Man könnte das System in Zukunft auch nutzen, wenn eine Kläranlage bei Regenwetter nicht alles Abwasser behandeln kann», sagt Ort. Dann könne man stark belastetes Abwasser zurückhalten, anstatt es ungewollt in ein Gewässer zu entlasten.

Schwankende Temperatur und Feuchtigkeit

Was nun einfach klingt, ist hohe Ingenieurskunst. Denn ein hochempfindliches Massenspektrometer in einem Autoanhänger zu betreiben, ist nicht trivial. «Das Gerät ist für den Betrieb unter optimalen Laborbedingungen ausgelegt», sagt der Umweltanalytiker Heinz Singer. Doch im Anhänger schwanken etwa Temperatur oder Feuchtigkeit viel stärker als im Labor. Auch die Stromversorgung und die Bereitstellung von Stickstoff müssen kontinuierlich gewährleistet werden. Dass das mobile System schon ein halbes Jahr nach Projektstart zuverlässig funktionierte, freut die Forscher. Das sei nicht selbstverständlich und vor allem dem interdisziplinären Team an der Eawag zu verdanken, sind Ort und Singer unisono überzeugt.

In Zukunft soll die Erfahrung der beiden dabei helfen, Massenspektrometer sogar noch kompakter zu machen. «Wir haben viel gelernt, welche Komponenten noch platzsparender verbaut und energieeffizienter betrieben werden können. Die nächste Version unseres Systems könnte weniger als halb so gross sein», schätzt Singer. Und ist sich sicher: In einigen Jahren kann man mit tragbaren Massenspektrometern für Umweltanwendungen rechnen. «Dafür haben wir in diesem Projekt einen wichtigen Schritt vollbracht – vom Labor ins Feld».

Titelbild: Aldo Todaro