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IUCN-Bericht gegen drohendes Artensterben im Viktoriasee

9. Mai 2018 | Andri Bryner

Der Viktoriasee in Ostafrika ist bekannt für seine grosse Artenvielfalt. Doch zahlreiche Fische, Mollusken, Krustentiere oder Wasserpflanzen sind bedroht. Dies zeigt ein neu erschienener Bericht der International Union for Conservation of Nature (IUCN), zu dem auch die Eawag beigetragen hat.

Ein Fünftel der 651 untersuchten Arten im Viktoriaseebecken droht auszusterben. Noch alarmierender ist der Befund bei Spezies, die ausschliesslich in den dortigen Gewässern vorkommen:  Von 205 taxonomisch beschriebenen endemischen Arten sind drei Viertel stark gefährdet. Ole Seehausen von der Eawag und der Universität Bern, der seit Jahren Fische im Viktoriasee erforscht und massgeblich am Bericht beteiligt war, betont: «Im Viktoriasee leben mehrere hundert weitere endemische Arten, die zwar bekannt sind, aber noch keinen wissenschaftlichen Artnamen tragen. Sie konnten deshalb in der Studie nicht erfasst werden. Die Zahl der bedrohten Arten liegt deshalb leider noch viel höher als im Bericht dargestellt, und wir glauben, dass viele Arten bereits ausgestorben sind.»

Belastungen von vielen Seiten

Zu den wichtigsten Bedrohungen für die Artenvielfalt im zweitgrössten Süsswassersee der Welt zählen die Verschmutzung durch Industrie und Landwirtschaft, die Überfischung, die Zerstörung der Wälder und die Trockenlegung von Feuchtgebieten im Einzugsgebiet sowie invasive Arten. So etwa durch die violettblütige Wasserhyazinthe (Eichhornia crassipes), die ursprünglich aus Südamerika stammt und in den 1980er-Jahren in den Viktoriasee gelangte. Sie bedeckte zeitweise fast 10 Prozent der Oberfläche des Sees und reduziert die Verfügbarkeit von Sauerstoff und Licht. „Auch der Klimawandel setze die Artenvielfalt, vor allem jene der Fische, weiter unter Druck“, sagt Seehausen.

Ausweitung von Schutzgebieten nötig

Für die über 40 Millionen von Menschen, die im Einzugsgebiet des Viktoriasees leben, bildet die Artenvielfalt des Sees eine wichtige Lebensgrundlage – als Nahrungsquelle, genetische Ressource für Aquakultur oder für Medikamente.

Um dem drohenden Artensterben Einhalt zu gebieten, hat die IUCN zusammen mit lokalen Stakeholdern 39 Fluss-, See- und Feuchtgebiete herauskristallisiert, die für den Erhalt der Biodiversität besonders wichtig sind. Sie können als Basis dienen, um neue Schutzgebiete in der Region zu entwickeln oder bestehende zu erweitern.

IUCN-Bericht

Sayer, C.A., Máiz-Tomé, L. and Darwall, W.R.T. (2018). Freshwater biodiversity in the Lake Victoria Basin: Guidance for species conservation, site protection, climate resilience and sustainable livelihoods. Cambridge, UK and Gland, Switzerland: IUCN. xiv +226p
DOI:https://doi.org/10.2305/IUCN.CH.2018.RA.2.en

Medienberichte u.a. auf

Bilder

Das Makobe Riff ist das artenreichste bekannte Felsriff im Viktoriasee. Es wurde von der International Union for Conservation of Nature (IUCN) als neues Gebiet mit hoher Bedeutung für den Erhalt der Biodiversität ausgeschieden - Key Biodiversity Area, KBA.
(Ole Seehausen, Eawag)

Wassertrübung um Zinza Island: Die zunehmende Trübung durch Erosion und die Eutrophierung stellen eine der grössten Bedrohungen für die Artenvielfalt im Viktoriasee dar.
(Ole Seehausen, Eawag)

Harpagochromis cavifrons, eine von vielen Buntbarscharten, die im Viktoriasee endemisch sind.
(Oliver Selz, Ole Seehausen, Eawag)

Haplochromis ishmaeli
(Foto: Erwin Schraml)