Autarky - eine für alles
Die Eawag entwickelt Technologien, mit denen sich Abwasser dezentral an Orten ohne Kanalisation und Wasseranschluss aufbereiten lässt. Das ist nicht nur für den Globalen Süden interessant.
Fast die Hälfte der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu einer ausreichenden Sanitärversorgung – keine Toiletten, keine Möglichkeit, sich die Hände zu waschen. Mit gravierenden Folgen für die Gesundheit und die Umwelt. Betroffen sind vor allem Länder des Globalen Südens, und hier schnell wachsende Städte und informelle Siedlungen, die nicht ans zentrale Wassernetz und die Abwasserentsorgung angeschlossen sind oder werden können. In Gegenden, in denen Wasserknappheit herrscht, wird die Sanitärversorgung aber auch für Grossstädte mit guter Infrastruktur zur Herausforderung. Eine Lösung bieten Systeme, die dezentral, ohne Anschluss ans Wasser und Abwassernetz, funktionieren und aufbereitetes Abwasser als alternative Wasserquelle nutzen. Ein solches System hat die Eawag im Rahmen der «Reinvent the Toilet Challenge» der Bill & Melinda Gates Stiftung zusammen mit dem österreichischen Designbüro EOOS, dem Paul Scherrer Institut und der Fachhochschule Nordwestschweiz entwickelt.
Steht einer «normalen» Toilette in Sachen Komfort in nichts nach: Das Autarky-WC-Häuschen mit Trenntoilette (nicht im Bild), Pissoir und Waschbecken (Foto: Aldo Todaro, Eawag).
Geschlossene Kreisläufe
«Autarky» haben die Forschenden ihre Entwicklung genannt. Es ist quasi WC und Kläranlage in einem. Eine Toilette mit Handwaschstation, die mit drei Modulen für die separate Behandlung von Abwasser, Urin und Fäkalien ausgestattet ist und autark funktioniert, also ohne Anschluss ans Wasser- und Abwassernetz. Bei der Behandlung von Urin und Fäkalien werden schlechte Gerüche gebunden, Krankheitserreger beseitigt und Nährstoffe zurückgewonnen, die sich als Dünger in der Landwirtschaft einsetzen lassen. Das Abwasser aus der Klospülung und dem Lavabo wird im Wassermodul – auch Wasserwand genannt – in einem vierstufigen Verfahren aufbereitet. Zunächst bauen Mikroorganismen Seife sowie Urin- und Fäkalienrückstände ab. Anschliessend wird das Wasser durch eine Membran filtriert, die Keime zurückhält. Mithilfe eines Aktivkohlefilters und einer elektrochemischen Behandlung werden Trüb- und Farbstoffe sowie letzte Spuren organischer Verunreinigungen beseitigt und das Wasser desinfiziert. «Es ist viel Grundlagenforschung in die Entwicklung dieser Kombination aus biologischer Behandlung und Membranfiltration geflossen», sagt Eberhard Morgenroth, Leiter der Abteilung Verfahrenstechnik an der Eawag und Professor am Departement Bau, Umwelt und Geomatik der ETH Zürich. «Eine weitere Herausforderung war, ein möglichst robustes System zu entwickeln, das mit minimaler Wartung auskommt. Je weniger Knöpfe und Sensoren, desto weniger störungsanfällig der Betrieb. Das ist wichtig an abgelegenen Standorten.»
In der Wasserwand von Autarky wird Handwasch- und Toilettenspülwasser in einem geschlossenen Kreislauf rezikliert. Herzstück der Behandlung ist ein belüfteter Bioreaktor (1), in dem Verunreinigungen, resultierend aus Seife, Urin und Fäkalien von Mikroorganismen in einer ersten Stufe abgebaut werden. Eine gezielt eingestellte Belüftungsrate erlaubt den vollständigen Abbau von Stickstoffverbindungen zu elementarem Luftstickstoff (Nitrifikation und Denitrifikation). In einer zweiten Stufe wird das Wasser mithilfe der Schwerkraft durch eine Ultrafiltrationsmembran (2) filtriert, an der pathogene Keime zurückgehalten werden. Die dritte Stufe, ein Aktivkohlefilter (3), entfernt Trübund Farbstoffe für eine sichtbare Wasserreinheit. Die vierte und letzte Stufe, eine Elektrolysezelle (4), stellt sicher, dass auch letzte Spuren organischer Verunreinigung beseitigt werden. Anstatt Chemikalien zur Desinfektion hinzuzugeben, wird gelöstes Chlorid genutzt, das in einer Elektrolysezelle in Chlor umgewandelt wird. Dadurch wird verhindert, dass das Wasser während der Lagerung wieder verkeimt. (Grafik: Peter Penicka, Eawag)
Erstellt von Isabel Plana für das Infotag-Magazin 2023